Die Traumfängerin - Roberts, N: Traumfängerin
Stunden zermürbender Warterei waren wir Matthew nicht näher als am Anfang.“
„Deshalb haben Sie beschlossen, Clarissa DeBasse anzurufen?“
„Ich erinnere mich nicht mehr, wann mir die Idee kam, Clarissa um Hilfe zu bitten. Ich hatte seit zwei Tagen nicht geschlafen und keinen Bissen gegessen. Alles, wofür ich in diesen Momenten lebte, war das Klingeln des Telefons. Ich fühlte mich so hilflos. Plötzlich erinnerte ich mich, dass Clarissa mir irgendwann ganz genau gesagt hatte, wo meine Diamantbrosche lag, die ich seit Langem gesucht hatte. Peter hatte mir das Schmuckstück zur Geburt unseres Sohnes geschenkt, und ich hing sehr daran. Natürlich ist ein Kind keine Sache, aber ich dachte, vielleicht, mit ganz viel Glück, könnte Clarissa mir auch jetzt helfen. Ich brauchte eine winzige Hoffnung, an die ich mich klammern konnte.“
Sie machte eine kleine Pause und atmete tief durch. Alex sagte kein Wort, sondern wartete, bis sie sich erneut gesammelt hatte.
„Die Polizei hielt nichts von meinem Vorschlag, und ich glaube, Peter war auch nicht begeistert. Doch er wusste, dass ich das Gefühl brauchte, etwas tun zu können. Also rief ich Clarissa an und erzählte ihr, dass Matthew entführt worden war.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch sie machte keine Anstalten, sie aufzuhalten. „Ich fragte sie, ob sie mir helfen könne. Und sie antwortete schlicht,sie werde es versuchen. Als sie kam, brach ich zusammen. Eine Weile haben wir einfach nur zusammengesessen. Zwei Freundinnen. Zwei Mütter. Sie sprach mit Jenny, die noch immer vollkommen aufgelöst war. Die Polizisten im Haus versuchten gar nicht erst, ihr Misstrauen zu verbergen. Doch ich hatte das Gefühl, das interessierte sie nicht weiter. Irgendwann teilte sie ihnen mit, sie suchten in der völlig falschen Gegend.“ Die Tränen liefen ihr über die Wangen, unwirsch wischte Alice sie mit dem Handrü-cken fort. „Sie können sich vielleicht vorstellen, dass das bei den Polizisten, die Tag und Nacht gearbeitet hatten, nicht besonders gut ankam. Clarissa erzählte ihnen, Matthew sei noch in der Stadt. Bisher waren alle davon ausgegangen, man habe ihn in den Norden gebracht. Dann bat sie mich um ein Kleidungsstück, das Matthew vor Kurzem getragen habe und das noch nicht gewaschen worden sei. Also gab ich ihr seinen Pyjama. Er war blau mit kleinen weißen Autos darauf.“ In der Erinnerung lächelte sie. „Mit dem Schlafanzug in der Hand saß sie einfach nur da. Mir riss beinahe der Geduldsfaden, am liebsten hätte ich sie angeschrien, sie solle endlich etwas tun. Und plötzlich begann sie zu sprechen, ganz leise. Sie sagte, Matthew sei nur ein paar Meilen entfernt. Einen der Anrufe hatte die Polizei nach San Francisco zurückverfolgen können, deshalb glaubten alle, mein Sohn sei dort. Doch Clarissa behauptete, er sei in Los Angeles. Sie konnte die Straße und das Haus genau beschreiben. Ein weißes Eckhaus mit blauen Fensterläden. Niemals werde ich vergessen, wie sie das Zimmer beschrieb, in dem Matthew gefangen gehalten wurde. Mittlerweile war es dunkel, und Matthew … Er war ein tapferer kleiner Kerl damals, aber er hatte Angst vor der Dun kelheit. Clarissa sagte, es sei en nur zwei Men-
„Und die Polizei ging der Spur nach?“
„Zunächst hielten sie Clarissas Hinweise für Unsinn, verständlicherweise, doch dann schickten sie Streifenwagen los, um das Haus zu suchen, das sie beschrieben hatte. Ich weiß nicht, wer erstaunter war, als sie es tatsächlich fanden, Peter und ich oder die Polizisten. Sie konnten Matthew ohne großartige Gegenwehr befreien, denn die Entführer hatten nicht damit gerechnet, gefunden zu werden. Der dritte Komplize, der die Lösegeldforderungen gestellt hatte, wurde in San Francisco gefasst.“ Nachdem die Geschichte erzählt war, entspannte Alice sich spürbar. „Clarissa blieb, bis Matthew wohlbehalten zurück war. Später beschrieb er mir den Raum, in dem er gefangen gehalten worden war. Es war exakt das Zimmer, von dem Clarissa erzählt hatte.“
„Mrs Van Camp, viele Leute behaupteten später, die Entführung und die dramatische Befreiung seien nur inszeniert worden, um die Spannung auf Ihren neuen Film, den ersten nach Matthews Geburt, zu erhöhen.“
„Das hat mich nie interessiert.“ Allein mit ihrer Stimme und dem Ausdruck ihrer Augen machte sie ihre Missbilligung deutlich. „Was auch immer die Leute sagten und dachten – ich hatte meinen Sohn zurück, das allein war
Weitere Kostenlose Bücher