Die Treibjagd
Genüsse. Sie genossen ihre Liebe in dem großen, graurothen Bette des Schlafgemaches, in der rosig-weißen Nacktheit des Ankleidezimmers und der Symphonie in gedämpftem Gelb des kleinen Salons. Jedes Gemach gewährte ihnen dank seinem eigenen Dufte, seinen besonderen Tapeten und seinem speziellen Leben verschiedene Zärtlichkeitsabstufungen, machte aus Renée eine andere Liebesgöttin; sie war hübsch und zart in ihrem gepolsterten Lager der großen Dame, in diesem lauen, aristokratischen Zimmer, welches der Liebe einen Anstrich des guten Geschmackes verlieh; unter dem fleischfarbenen Zelt, inmitten der Düfte und nach der feuchten Umarmung des Bades, war sie die launenhafte und sinnliche Dirne, die sich hingab, wenn sie dem warmen Wasser entstieg und hier zog Maxime sie am liebsten in seine Arme; unten aber, in dem Sonnenschein des kleinen Salons, inmitten des gelben Glorienscheins, der ihr Haar vergoldete, wurde sie zur Göttin mit ihrem blonden Dianenhaupte, ihren nackten Armen, die sich so keusch und anmuthig bewegten und mit dem reinen, fleckenlosen Leibe, der in so edlen Linien, mit so antiker Anmuth auf dem Sopha ruhte. Doch gab es einen Ort, vor welchem sich Maxime beinahe fürchtete und wohin ihn Renée nur an schlimmen Tagen zog, an solchen Tagen, da sie einer betäubenderen Freude bedurften. Dieser Ort war das Gewächshaus. Hier genossen sie so recht die Blutschande.
Eines Nachts, in einer angstvollen Stunde hatte die junge Frau ihren Geliebten aufgefordert, er möge eines der schwarzen Bärenfelle holen. Sodann hatten sie sich auf diesem dunklen Fell, am Rande des Wasserbeckens ausgestreckt. Draußen fror es fürchterlich und der Mond verbreitete ein ungewisses Licht. Maxime war frierend angelangt; Ohren und Finger waren ihm beinahe abgefroren. In dem Treibhause aber herrschte eine solche Hitze, daß er auf dem weichen Thierfell liegend, von einem Unwohlsein erfaßt wurde. Nach dem trockenen Prickeln der Kälte überkam ihn ein flammendheißes Gefühl, daß er ein Stechen empfand, als hätte man ihn mit Gerten gestrichen. Als er sich erholt hatte, sah er Renée über ihn geneigt, mit stieren Augen, in einer brutalen Haltung, die ihm Furcht einflößte. Mit wirr herunterhängendem Haar und nackten Schultern stützte sie sich auf beide Hände, mit gestrecktem Rücken vorgeneigt, gleich einer großen Katze, deren Augen in schwefelfarbenem Lichte glänzen. Auf dem Rücken liegend, bemerkte der junge Mann über die Schultern dieses entzückenden liebenden Wesens hinweg, welches ihn anblickte, die Marmorsphinx, deren glänzende Lenden vom Monde beschienen wurden. Renée hatte ganz die Haltung und das Lächeln dieses Ungeheuers mit dem Frauenkopfe und in ihren halb herabgeglittenen Röcken schien sie die weiße Schwester dieses schwarzen Gottes zu sein.
Maxime war noch immer matt. Die Hitze wirkte betäubend; eine dumpfe, schwere Hitze, die nicht als Feuerregen vom Himmel fiel, sondern schwerfällig auf dem Boden ruhte, gleich einer ungesunden Ausdünstung, deren Dampf ähnlich einer gewitterschweren Wolke, langsam in die Höhe stieg. Eine warme Feuchtigkeit rieselte gleich dem Schweiß von den Liebenden. Lange verharrten sie schweigend und regungslos in diesem Flammenbade: Maxime erschlafft und kraftlos, Renée zitternd auf ihren Fäusten wie auf nervigen, üppigen Beinen ruhend. Durch die kleinen Glasscheiben konnte man die dunkeln Umrisse der Bäume, die weißen Rasenflächen sehen, welche an gefrorene Seen erinnerten, – eine todte Landschaft, deren zarte, deutliche Zeichnung an japanesische Gemälde erinnerte. Und dieses Stück heißer Erde, dieses flammende Lager, auf welchem die Liebenden ruhten, brodelte eigenartig inmitten dieser großen, schweigsamen Kälte.
Sie genossen eine Nacht wahnsinniger Liebe. Renée war der Mann, der leidenschaftliche, handelnde Wille, Maxime unterlag. Dieses neutrale, blonde hübsche Wesen, welches von Kindheit an in der Entwicklung seiner Männlichkeit gehemmt worden, verwandelte sich mit seinen haarlosen Gliedern, seiner an einen römischen Knaben gemahnenden anmuthigen Magerkeit in den Armen der jungen Frau in ein großes Mädchen. Er schien geboren und herangewachsen für eine derartige Verirrung der Wollust. Renée ergötzte sich an ihrer Herrschaft; dieses Geschöpf, bei welchem das Geschlecht noch immer nicht entschieden war, knickte förmlich zusammen unter ihrer Leidenschaft. Für sie bildete dies ein unablässiges Erstaunen des Verlangens, eine Ueberraschung
Weitere Kostenlose Bücher