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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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mit ihren rothen Blüthenkelchen, der Quisqualus, dessen Blätter gleich Schnüren aus Glasperlen herniederhingen, reckten, dehnten, schlangen und verknüpften sich gleich Nattern endlos und verwirrend unter dem dunkeln Schatten der Laubdächer.
    Und unter diesen natürlichen Bögen, zwischen den Baumstämmen, hingen an dünnen, eisernen Ketten kleinere und größere Körbe, in welchen Orchideen gezüchtet wurden, jene bizarren Gewächse, die nach allen Seiten hin ihre knotigen, höckerigen, verstümmelten Gliedmaßen gleichenden Zweige ansetzen. Da gab es Venusstiefel, deren Blüthe genau die Form eines an den Fersen mit Libellenflügeln besetzten Pantoffels hat; zart duftende Aëriden und die Stanhopea mit ihren blassen, getigerten Dolden, die schon von Weitem gleich der bitteren Kehle eines Genesenden, einen starken, herben Geruch aushauchen.
    Was aber die Aufmerksamkeit am meisten auf sich zog, war ein großer chinesischer Hibiscus, dessen ungeheure Blätter und Blüthen die ganze Mauer bedeckten, welche das Treibhaus mit dem Hotel verband. Die großen purpurnen Blüthen dieser gigantischen Pflanze leben blos einige Stunden und erneuern sich ohne Unterlaß. Man könnte dieselben mit den sinnlichen Lippen einer Frau vergleichen, die sich roth, feucht und weich öffnen und wieder schließen, mit den Lippen einer Riesen-Messalina, die von Küssen zermartert werden und mit ihrem lüsternen, blutigen Lächeln immer wieder zu neuem Leben erwachten.
    In der Nähe des Bassins stehend, erschauerte Renée inmitten dieser herrlichen Vegetation. Hinter ihr starrte eine große Sphinx aus schwarzem Marmor, die auf einem Granitblock ruhte und den Kopf nach dem Aquarium gewendet hielt, mit einem verstohlenen, grausamen Katzenlächeln sie an; sie erschien hier mit ihren schimmernden Schenkeln gleich der dunkeln Gottheit dieses heißen Bodens. Aus matten Glaskugeln strömte zu dieser Stunde das Licht durch das Blätterwerk. Statuen, Frauenköpfe, deren Nacken sich im Lachen nach rückwärts neigten, schimmerten durch die Baumstämme, hier und dort von dunklen Schatten bedeckt, die das Lachen verzerrt erscheinen ließen. In dem dicken, schlummernden Wasser des Bassins spielten sonderbare Strahlen, die die meergrünen Wesen, die daselbst ihr Dasein fristeten und die ungeheuerlichsten Formen zeigten, in unbestimmte Schatten hüllten. Auf den glatten Blättern der Ravenaca, auf den lackglänzenden Fächern der Latanen lag eine Fluth weißen Lichtes, während von den Spitzen der Farrenkräuter seine Lichtstrahlen aufzugehen schienen. Hoch oben zwischen den dunklen Wipfeln der schlanken Palmen glitzerte der Widerschein des Glasfenster. Alles Andere ringsum war in Dunkel gehüllt und die grünen Schlupfwinkel mit ihren Vorhängen aus Schlinggewächsen und Lianen versanken in den tiefen Schatten gleich den Nestern schlummernder Reptilien.
    Sinnend stand Renée da, von weißem Licht übergossen und betrachtete von Weitem Maxime und Luise. Dies war hier nicht mehr das schwankende Träumen, die unbestimmte Versuchung der anbrechenden Dämmerung, wie in den kühlen Baumgängen des Bois; ihre Gedanken wurden nicht mehr gewiegt und eingeschläfert durch den sanften Trab der Pferde, durch das angenehme Schaukeln der Wagenfedern, an den sorglich gepflegten Rasenplätzen und Gebüschen vorbei, wo am Sonntag Bürgerfamilien ihr Diner einnehmen. Ein klares brennendes Verlangen erfüllte sie nunmehr.
    Ein unendliches Liebesbedürfniß, ein Durst nach Wollust wogte durch diesen weiten Raum, in welchem der heiße Lebenssaft der tropischen Pflanzen brodelte. Die junge Frau wurde eine Beute jener mächtigen Paarungen im Erdreiche, die dieses üppige Grün, diese ungeheure Vegetation rings um sie her zeugen und die heiße Umarmung dieses Feuermeeres, diese großartige Entfaltung der Natur, diese gewaltige Pflanzenwelt, völlig durchglüht von den Eingeweiden, die sie nährten, erfüllten sie mit einer Verwirrung, die an Trunkenheit grenzte. Zu ihren Füßen dampfte das Bassin, das von dem Safte der schwimmenden Wurzeln gesättigte heiße Wasser, welches schwere Dünste auf ihre Schultern niederschlagen machte, ihre Haut erwärmte, gleich der Berührung einer von Wollust geleiteten Hand. Ober ihrem Kopfe empfand sie das Spiel der Palmen, den Duft der dunkeln Blätter. Und mehr noch als der warme Hauch der Luft, mehr als das blendende Licht, als die großen, farbensatten Blumen, die lachenden oder grinsenden Gesichtern glichen, die zwischen den Blättern

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