Die Treibjagd
Kronleuchters wirkte wie eine Symphonie in Moll inmitten dieser sonnigen Umgebung. Es war wie ein Geriesel gedämpfter Strahlen über dem in phantastischem Muster gehaltenen Aubussonteppich. Ein mit Perlmutter eingelegter Ebenholzflügel, zwei niedrige Möbelstücke, deren Spiegel zahllose kleine Nippes sehen ließen, ein Tisch im Style Ludwigs XVI. und ein Blumentisch mit köstlichen Blumen genügten als Einrichtung dieses Raumes. Die Fauteuils, Tabourets und Divans waren mit blauem Seidenzeug überzogen, über welches sich breite, mit blühenden Tulpen bestickte schwarze Seidenbänder spannten. Außer diesen Sitzmöbeln waren noch andere kleine Schemel vorhanden, die in den verschiedensten Abwechselungen zum Sitzen einluden. Man sah das Holz dieser Möbel gar nicht; überall war dasselbe mit Seide und Polsterungen bedeckt. Die Kissen der Divans legten sich weich und schmiegsam zurück. Jeder derselben glich einem verschwiegenen Lager, auf welchem man nach Herzenslust lieben und träumen konnte, inmitten der Symphonie in Moll.
Renée liebte diesen kleinen Salon, der durch eine Glasthür mit dem herrlichen Treibhause in Verbindung stand, welches sich an das Hotel schmiegte. Während des Tages verbrachte sie ganze Stunden daselbst. Die in gelblichen Tönen gehaltenen Tapeten verdunkelten ihr blondes Haar nicht, sondern umgaben es mit einem goldenen Glorienschein; ihr Kopf hob sich weiß und rosig von der üppigen Umgebung ab, gleich dem einer blonden Diana, die im Morgenlichte erwacht und so liebte sie denn dieses Gemach zweifellos, weil es ihre Schönheit voll zur Geltung kommen ließ.
Heute Abend hatte sie sich mit ihren Vertrauten hieher zurückgezogen. Ihre Schwester und ihre Tante hatten sich bereits entfernt. Es waren nur mehr die Tollköpfchen da. In halb liegender Stellung nahm Renée in einem Fauteuil hingegossen die vertraulichen Mittheilungen ihrer Freundin Adeline entgegen, die ihr lachend und kichernd ins Ohr flüsterte. Susanne Haffner war stark umschwärmt; sie befand sich inmitten einer Gruppe junger Leute, die ihr hart zusetzten, ohne daß sich ihr deutsches Schmachten, ihre herausfordernde Frechheit, die nackt und kalt war wie ihre Schultern, verleugnet hätte. In einer Ecke unterwies Frau Sidonie mit leiser Stimme eine junge Frau, die züchtig und verschämt drein blickte. Etwas weiter plauderte Luise mit einem großen schüchternen Jüngling, der jeden Augenblick erröthete, während der Baron Gouraud ganz ungezwungen in einem Fauteuil schlummerte und sein Schmerbauch und feistes Gesicht sich inmitten der zarten Anmuth und schlanken Gestalten der Damen breit machten. Und über die wie Porzellan glänzenden seidenen Toiletten, über die Schultern, deren Milchweiße mit Diamanten bestreut war, breitete eine feenhafte Beleuchtung einen goldenen Schimmer aus. In dem Gemach herrschte eine drückende Hitze. Langsam bewegten sich die Fächer gleich ebensovielen Flügeln, mit jedem Schlag einen Hauch der den Leibchen entquellenden scharfen Parfüms in die Luft sendend.
Als Maxime im Thürrahmen erschien, richtete sich Renée, die der Marquise nur zerstreut Gehör schenkte, lebhaft empor, indem sie sich den Anschein gab, als müßte sie ihren Pflichten als Hausfrau nachkommen. Sie begab sich in den großen Salon, wohin ihr auch der junge Mann folgte. Dort machte sie einige Schritte, lächelte, theilte Händedrücke aus und sagte dann, indem sie Maxime zur Seite zog, halblauten Tones und ironisch lächelnd:
»Der Frohndienst scheint denn doch nicht so schlimm zu sein, ja, es ist wohl ganz angenehm, ihr den Hof zu machen?«
»Ich verstehe nicht«, erwiderte der junge Mann, der sich für Herrn von Mussy zu verwenden gedachte. »Es scheint aber, als hätte ich wohlgethan, Dir Luise nicht vom Halse zu nehmen. Ihr Beide macht die Sache schnell.«
Und gleichsam ärgerlich fügte sie hinzu:
»Das war bei Tische geradezu unschicklich.«
Maxime begann zu lachen.
»Ach ja! wir haben uns Geschichten erzählt. Ich kannte das kleine Ding gar nicht. Sie ist ordentlich drollig. Sie schaut aus wie ein Junge.«
Und da Renée noch immer die gereizte Miene einer in ihrem moralischen Gefühl verletzten Person zeigte, fügte der junge Mann, dem derlei Empfindeleien bei seiner Stiefmutter etwas Unbekanntes waren, mit lächelnder Vertraulichkeit hinzu:
»Denkst Du vielleicht, Stiefmama, ich hätte ihr unter dem Tische die Kniee gedrückt? Alle Wetter, man weiß ja, was man seiner Verlobten schuldig ist ... Ich habe Dir
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