Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)
»Du dichtest dir etwas zusammen, weil du unheimlich gern den Helden spielen möchtest.«
Ich knickte die Zehen in den Stiefeln ein und wandte mich von ihm ab, nur um direkt auf ein gerahmtes Foto auf dem Schrank zu blicken, das uns bei seiner Hochzeit zeigte. Es ließ mich nicht los und verspottete mich zur gleichen Zeit.
»Du verrennst dich in dieser Sache, weil du dich damit von der Schuld an Kyles Tod reinwaschen willst.«
Mein ganzer Körper verkrampfte sich.
»Du kannst nicht ungeschehen machen, was mit unserem Bruder passiert ist«, bemerkte er knapp. »Egal wie viele erdachte Verbrechensfälle du löst, und ob du tausend Bücher darüber schreibst oder nicht – es steht nicht in deiner Macht, Kyles Unfall ungeschehen zu machen.« Er legte eine Pause ein. »Jetzt zerstörst du deine Ehe, um Fehler auszumerzen, die du in der Vergangenheit gemacht hast. Siehst du nicht, dass du in einen Teufelskreis geraten bist?«
Ich konnte keine Antwort geben.
»Travis?« Seine Stimme klang unendlich weit weg; als spreche er vom Mond zu mir.
Als ich mich von dem Foto abwandte, gluckerte giftiger Sud in meinem Magen.
Adam erhob sich und stapelte die Bilder aufeinander. Dann sah er auf die Uhr und kaute erneut an seiner Lippe. »Geh nach Hause. Lass dir meine Worte durch den Kopf gehen. Falls einige davon einen Sinn ergeben, sobald du morgen früh ausgenüchtert bist, kannst du Jodie anrufen, wie wäre das?«
Ich nickte benommen, richtete mich auf und nahm die Fotos vom Tisch. Adam begleitete mich zur Tür, meine Stiefel schmatzten und hinterließen auf dem Boden nasse Spuren. Ich rollte die Bilder zusammen. Meine Hände schwitzten stark.
»Geh«, verabschiedete er sich beim Öffnen der Tür. »Gönn dir ein wenig Schlaf.«
Ich trat ins Dunkle. Mein Schatten erstreckte sich vor mir in dem eckigen Paneel weichen Lichtes, das sich aus dem Haus ergoss. Während ich über die vereiste Auffahrt stakste, hallte das Geräusch, als Adam die Tür wieder schloss, durch die Sackgasse.
Ich zitterte.
Es war ein Fehler hierherzuziehen. Wir hätten im Norden Londons bleiben sollen. Mit Adam habe ich mich schon immer übers Telefon besser verstanden.
Beim Überqueren der Straße zog ich meinen Parka fester zusammen und duckte mich vor dem beißenden Wind. Irgendwo rechts von mir blitzten Scheinwerfer auf, die mich einen Moment lang mitten auf der Fahrbahn wie ein Reh einfroren. Ich machte die kantige Karosserie eines Pick-ups aus, der langsam am Bordstein vorfuhr. Es war ein altes, zweifarbiges Modell, und als ich mich der Fahrerseite näherte, roch ich die stinkenden Abgase aus seinem Auspuff.
Jemand kurbelte die Scheibe hinunter.
Am Steuer saß David Dentman.
Kapitel 26
»Steigen Sie in den Truck«, forderte Dentman. Die einzige Lichtquelle in der Kabine war das glühende Ende seiner Zigarette.
»Was machen Sie hier?« Ein eisiger Finger fuhr an meinem Rückgrat hinab.
»Ich suche Sie.« Er reckte sich über den Beifahrersitz und öffnete die Tür, woraufhin die Deckenlampe anging und tiefschwarze Schattenkleckse über sein Gesicht huschten.
»Nein, wir können auch hier draußen reden.«
»Gott, Glasgow, seien Sie nicht so eine Pussy. Ich werde Ihnen nichts tun. Jetzt steigen Sie schon ein.« Er klang, als sei er dieses Geplänkel leid.
Es war ein dämlicher, vermutlich kolossaler Fehler, jener Art, welcher ein Kinopublikum dazu verleitet, den arglosen, aber wohlmeinenden Protagonisten mit unflätigen Namen zu bedenken. Aber ich entschied mich nicht grundlos dazu. Als ich vorne um Davids Wagen ging, streiften mich die Scheinwerfer kurz. Schließlich stieg ich auf der Beifahrerseite ein. Im Bewusstsein, dass ich die Fotos noch in der Hand hielt, stockte mein Atem. Gerade weil ich sie zu einem Röhrchen zusammengerollt hatte, fielen sie besonders ins Auge; genauso gut hätte ich sie ihm direkt unter die Nase halten können.
Im Pick-up stank es nach Terpentin, Tabak, Whiskey und Schweiß. Aus nächster Nähe roch ich nun auch Dentman selbst – maskulin und stark – beinahe tierisch.
Dentman legte den ersten Gang ein und gab Gas. Die Maschine heulte auf und brachte den Wagen zum Schlingern. Es klang, als stecke der Motor eines Panzers unter der Haube.
»Ich dachte, Sie wollten sich nur mit mir unterhalten«, erinnerte ich.
Die Scheinwerfer schnitten gleich einer Klinge in die Finsternis, während er den Wagen auf die Spur brachte und auf die erste Abzweigung zufuhr. Ich
Weitere Kostenlose Bücher