Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)

Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Malfi
Vom Netzwerk:
beobachtete, wie der Tacho erst fünfzig, dann fünfundfünfzig, sechzig und mehr anzeigte, weshalb ich nach dem Sicherheitsgurt tastete, aber keinen vorfand. Yeah, wirklich schlau.
    Dentman hockte lässig hinterm Steuer, das er in zwei fleischig dicken Fäusten hielt. Sein gewaltiger Körper füllte den Sitz zur Gänze aus, wobei er den Kopf leicht seitlich neigte, um die düstere, schmale Straße im Auge zu behalten, die er unter den Neandertaler-Augenbrauen fixierte.
    »Wir befinden uns in einer Ortschaft«, erinnerte ich ihn.
    Seine Seitenansicht zeigte mir ein angedeutetes Lächeln.
    Wind blies durch die offene Scheibe auf seiner Seite, die Temperatur im Wagen sank. Die Luft, die durch den gerollten Stoß Fotos in meiner Hand fuhr, flötete absonderlich. Ich versuchte, sie durch schiere Gedankenkraft unsichtbar zu machen. Bitte, bitte, bitte.
    Dentman bedachte die Bilder mit einem nichtssagenden Blick und kurbelte die Scheibe hoch, vielleicht weil ihn das Pfeifen nervte. »Sie stinken wie eine Schnapsbrennerei«, bemerkte er nach einer Weile, dabei schnüffelte er wie ein Bluthund.
    Der Pick-up zuckelte die Straße entlang, während der Motor unter der Haube rumorte. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bevor die Türen vom Fahrgestell abfielen.
    »Was wollen Sie?«, fragte ich.
    »Öffnen Sie das Handschuhfach.«
    »Nein, danke.«
    »Los.«
    Widerwillig gehorchte ich. Es klappte wie ein Mund auf, und ein kleines orangefarbenes Licht strahlte auf meinen Schoß. Drinnen lag nur ein Gegenstand, angesichts dessen ich mehrmals blinzeln musste, bis ich mir sicher war, dass es sich wirklich genau darum handelte. Nein, ich hatte mich nicht versehen: Es war eine Taschenbuchausgabe von The Ocean Serene .
    »Ich habe meine Lieblingsstellen markiert«, sagte Dentman. »Hoffentlich ist es Ihnen recht.« Er klang sarkastisch.
    Ich schlug den Roman auf und blätterte.
    Im kargen Mondlicht erkannte ich die unterstrichenen Passagen. Nachdem ich mir eine Seite ausgesucht hatte, fing ich zu lesen an. Dann schlug ich das Buch wieder zu und schob es zurück ins Handschuhfach. Der phosphoreszierende Mond zeichnete auch Dentmans Profil deutlich nach. »Es ehrt mich, in Ihnen einen solch glühenden Fan zu haben, aber wohin zur Hölle bringen Sie mich?«
    »Sie müssen mir etwas erklären«, verlangte er beinahe im Plauderton, während wir im forschen Tempo durch die Stadt fuhren. »Auf wessen Leben basiert die Handlung?«
    »Was?«
    »Das ist es doch, was Sie tun, oder nicht? Das Leben anderer Leute stehlen, ihre Schicksale für Unterhaltungszwecke? Und sich daran bereichern.«
    »Ich weiß verdammt noch mal nicht, wovon Sie reden.«
    »Was denken Sie über mich? Was denken Sie über meine Familie?«
    »Sie haben den Verstand verloren«, beschied ich.
    »Greifen Sie unter Ihren Sitz.«
    »Nein. Genug Bullshit. Was soll das alles?«
    »Das frage ich Sie.«
    »Sehen Sie, ich weiß nicht, was das hier werden soll. Falls es um den Karton geht, den ich Ihnen vorbeigebracht habe, dachte ich eigentlich, wir hätten –«
    »Greifen Sie unter Ihren Sitz«, wiederholte Dentman mit mehr als nur unterschwelliger Wut im Tonfall.
    Widerwillig beugte ich mich nach vorn und griff mit einer Hand unter den Sitz. Mein Atem rasselte. Ich tastete den steifen Teppich ab, wusste nicht, was mich erwartete beziehungsweise was ich überhaupt suchte. Dann stieß ich mit den Fingerspitzen gegen etwas. Ich holte es hervor und legte es auf meine Oberschenkel. Wenigstens konnte ich nun die Fotos verbergen. Als ich es betrachtete, drehte sich ein dicker Klumpen in meiner Magengrube um, und ich glaubte, mich erbrechen zu müssen. Meine Hände zitterten, und ich konnte nicht anders, als mit den Zähnen zu klappern, dass mein Schädel bebte. Mein Atem stockte einstweilen. Wie gern wäre ich ohnmächtig geworden …
    Auf meinem Schoß lag das vermisste Notizbuch.
    Einige – nein, unzählige Fragen gingen mir durch den Kopf, doch mein Mund, dieses treulose Organ, versagte den Dienst.
    Dentman manövrierte den Pick-up die Hauptstraße entlang, vorbei an den kärglichen Geschäften der ländlichen Kleinstadt, in denen keine Lampe brannte, da sie nachts geschlossen waren. Nur die auffallend rosafarbene Reklame des Tequila Mockingbirds strahlte ihr dämmerig pulsierendes Gaslicht ins Dunkel. Die Nacht, die gegen die Windschutzscheibe drängte, wurde zu etwas Greifbarem, ein Flor aus schwarzem Samt, der sich über das Tal legte.
    »W-wo haben Sie das her?«,

Weitere Kostenlose Bücher