Die Treue Des Highlanders
einen Spruch: Lieber ein feiger Hund als ein toter Löwe. Außerdem hat es nichts mit Feigheit zu tun, einer verlorenen Sache den Rücken zu kehren. Vergiss deine Ritterlichkeit, Maria Stuart braucht sie nicht mehr. Aber ich ...
ich
brauche dich, Duncan Cruachan.«
Der Zwiespalt der Gefühle stand Duncan ins Gesicht geschrieben. Da war auf der einen Seite sein Treueschwur gegenüber der Königin, auf der anderen die Verantwortung für Anna. Er gab sich einen Ruck – seine Entscheidung war gefallen. »Dann lass uns gehen. Ab sofort werden wir auf der Flucht sein.«
»Gehen?« Anna lachte spöttisch. »Hast du vergessen, dass wir uns in einem Gefängnis befinden?«
Duncan ging zur Tür und klopfte zum Zeichen, dass sein Besuch beendet war. »Ich habe nur eine Wache gesehen, und der Kerl ist nicht sonderlich groß. John Knox predigt in St. Giles gegen die Vermählung, und beinahe die ganze Stadt ist in der Kirche.«
Bevor Anna antworten konnte, wurde die Tür geöffnet, und der Wachmann winkte Duncan heraus. Bevor jener ein Wort sagen konnte, hatte Duncan ihn schon bei der Kehle gepackt und rief Anna zu: »Nimm sein Schwert und das Messer! Schnell!«
Anna tat, wie geheißen, und das Gesicht des Wachmanns verfärbte sich in ein ungesundes Blau.
»Lass ihn am Leben!«, flehte Anna. »Er hat nur Befehle befolgt.«
Duncan gab ihr mit einem Blick zu verstehen, sie solle die Zelle verlassen, dann stieß er den Mann in die hinterste Ecke und schloss schnell die Tür ab. Den Schlüssel hatte der Mann netterweise außen stecken lassen.
Anna sah sich um. Tatsächlich war niemand zu sehen. Unbeobachtet gelangten sie durch die Hinterpforte, zu der ein Schlüssel vom Bund der Wache passte, in eine schmale Gasse mit stinkendem Unrat. Anna ignorierte den Dreck unter ihren nackten Fußsohlen und folgte Duncan durch ein Gewirr von Gässchen und Winkeln, bis sie die südliche Stadtmauer erreicht hatten. Nur vereinzelt begegneten ihnen Menschen, aber alle so ärmlich und zerlumpt, dass Anna vermutete, sie befanden sich in einer Gegend, in der sich keiner um den anderen scherte.
»Was ist denn hier los?«, wunderte sich Duncan, als sie das kleine Stadttor Cowgate erreichten und es verlassen vorfanden. Weit und breit war keine Wache zu sehen, aber die Pforte stand weit offen. Sie eilten hindurch und liefen, so schnell es Annas geschwächter Zustand zuließ, auf die Hügel außerhalb der Stadt zu. Disteln stachen Annas Füße blutig, aber sie spürte den Schmerz nicht. Zu groß war die Erleichterung, dem Gefängnis entronnen zu sein. Als sie die Anhöhe von Arthur’s Seat erreicht hatten, blieb Duncan stehen.
»Ich glaube, hier bist du vorerst in Sicherheit.«
»Was hast du vor?«, rief Anna, als sie sah, wie Duncan sich anschickte, sie zu verlassen.
»Ich muss in die Stadt zurück. Wir können kaum zu Fuß nach Glenmalloch gehen, daher werde ich unsere Pferde und ein paar Sachen holen.«
»Nein!« Anna klammerte sich an seinen Arm. »Das ist zu gefährlich! Du kannst mich doch jetzt nicht allein lassen!«
Duncan zögerte, doch dann löste er ihre Hand von seinem Arm. »Es wird mir nichts geschehen. Hierher kommt so gut wie nie jemand, und wenn, kannst du dich hinter den großen Steinen dort drüben verbergen. Ich bin bald wieder zurück.« Er zögerte, ging dann ein paar Schritte, um wieder umzukehren und Anna in seine Arme zu reißen. Fest presste er sie an sich und murmelte: »Mein Leben wäre zu Ende gewesen, wenn sie dir etwas angetan hätten.« Dann ließ er sie so abrupt los, dass sie taumelte, und lief mit weit ausholenden Schritten den Hügel hinunter. Obwohl die Situation alles andere als romantisch war, fühlte sich Anna so glücklich wie nie zuvor in ihrem Leben.
Für Anna vergingen bange Stunden, in denen sie zitternd auf dem Boden kauerte. Tatsächlich ließ sich weit und breit niemand blicken, aber auf dem Hügel wehte ein kalter Wind, und Anna fröstelte. Endlich tauchten zwei Reiter auf, die mit vollem Galopp auf Arthur’s Seat zuhielten und ein drittes Pferd ohne Reiter hinter sich her führten. Zuerst wollte sich Anna verstecken, dann erkannte sie Duncan in Begleitung seines Knappen Neville. Der Diener wandte schamvoll seinen Blick ab, als er Anna erblickte, denn sie trug noch immer das Nachthemd, das – bedingt durch die Zeit ihrer Gefangenschaft – schmutzig und zerfetzt mehr enthüllte als verbarg.
Duncan warf ihr ein Bündel zu. »Zieh das an. Rasch!«
Zu ihrer Freude war es Duncan gelungen, einige ihrer eigenen
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