Die Treue Des Highlanders
der vor ihnen auf dem Tisch lag. »Du bist mit Leib und Seele Schauspielerin. Auch wenn du mir zum jetzigen Zeitpunkt keine Chance mehr geben willst, warum lehnst du das Angebot für den Film ab? Wir könnten monatelang zusammenarbeiten und würden dabei vielleicht auch wieder privat einen Weg zueinander finden.«
Anna sah auf den Absatz im Vertrag, in dem ihr Honorar stand. Sie würde für diesen Film mehr erhalten als für alle bisherigen Rollen zusammen. Es war ein verlockendes Angebot, mit dem sie für die nächsten Jahre ausgesorgt haben würde. Trotzdem schob sie den Vertrag zur Seite und schüttelte den Kopf. »Meine Entscheidung steht fest, Bruce. Der Film ist nicht mehr meine Welt. All die Menschen mit ihrem aufgesetzten Lächeln, die langweiligen Partys und Gespräche, die sich darum drehen, wer mit wem, wo und warum es getan hat. Es ist ein sehr gutes Drehbuch, und ich bin sicher, du findest eine andere Schauspielerin, die die Rolle mit Hingabe meistern wird. Ich wünsche dir von Herzen Erfolg, den hast du wirklich verdient.«
In Bruce stieg Ärger auf, darum sagte er schärfer als beabsichtigt: »Du glaubst wohl, ich wüsste nicht, was der Grund deines Sinneswandels ist? Es ist dieser Kerl, nicht wahr? Mit ihm warst du zusammen, doch dann hat er dich nicht mehr gewollt und dich fortgeschickt.« Anna zuckte zusammen. Bruce war der Sache ziemlich nahe gekommen, aber trotzdem meilenweit von der Wahrheit entfernt. »Und jetzt willst du zu ihm zurückkehren«, fuhr Bruce fort. »Zu einem Mann, der dich nicht will, oder warum bist du wieder aufgetaucht? Ich bin bereit, dir zu verzeihen, dass du mich monatelang betrogen hast, darum verstehe ich nicht, warum du auf dem hohen Ross sitzt und die Sache mit Lilian nicht vergessen kannst. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.«
Obwohl Anna wusste, dass Bruces Worte seiner Enttäuschung entsprangen, taten sie weh. Sie erhob sich langsam. »Es wird Zeit, zu gehen.« Sie wandte sich dem Ausgang der Wohnung zu, in der sie so lange mit Bruce gelebt hatte. »Leb wohl, Bruce, ich wünsche dir alles Gute, denn wir werden uns wahrscheinlich niemals wieder sehen.«
»Anna!« Bruce stand vor ihr, aus seinen Augen war der Zorn verschwunden, es lag nun ein Ausdruck von tiefer Traurigkeit in ihnen, der Anna wehmütig berührte. »Was hast du vor? Wohin willst zu gehen?«
Spontan umarmte sie Bruce und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. »Du würdest es nicht verstehen. Niemand würde mich verstehen.«
Dann fiel die Tür hinter Anna ins Schloss.
Erschöpft schaltete Ruth Jefferson den Bildschirm ihres PCs ab und rieb sich den verspannten Nacken. Endlich Feierabend! Sie sehnte sich nach einem heißen Schaumbad, danach eine aufgebackene Tiefkühlpizza und ein Glas Rotwein, um dann früh ins Bett zu gehen. Seit dem Morgen war sie im Gefängnis von Aberdeen gewesen, um mit einem Mann zu sprechen, der vor drei Tagen mit einer Pistole in die Polizeistation gekommen war und gesagt hatte: »Bitte nehmen Sie mich fest. Ich habe gerade meine Familie erschossen.« Scheinbar grundlos hatte der Mann erst seine beiden kleinen Kinder und dann seine Frau ermordet, bevor er sich stellte. Bekannte und Nachbarn schilderten ihn als unauffällig, ruhig und freundlich, auch gab es keine sichtbaren Probleme wie zum Beispiel Schulden, Krankheit oder Eifersucht. Über die Hintergründe seiner Tat schwieg der Mann beharrlich, machte lediglich Angaben zu seinen Personalien. Auch Ruth war es nicht gelungen, Zugang zu ihm zu finden. Obwohl sie seit über zwanzig Jahren regelmäßig mit solchen unverständlichen Taten zu tun hatte, berührte sie jeder Fall aufs Neue. Besonders, wenn unschuldige Kinder zu Opfern wurden. Heute würde sie nichts mehr ausrichten können, daher hatte sie in den letzten zwei Stunden die dringend notwendige Abrechnung ihrer Privatpraxis erledigt. Jetzt wollte sie nur noch nach Hause, die Beine hochlegen und entspannen.
Durch die Glastür sah Ruth, wie im Hausflur das Licht anging. Ihre Praxis lag im ersten Stock eines zweistöckigen Bürogebäudes am Rande von Inverness. Da um diese Uhrzeit alle Angestellten längst gegangen waren und die Putzfrau immer in den frühen Morgenstunden kam, befürchtete Ruth einen späten Besucher. Ihre Ahnung wurde bestätigt, als es kurz darauf klingelte, denn sie hatte ihre Räume bereits abgeschlossen. Ruth überlegte, das Klingeln zu ignorieren, aber die Person hatte durch die Glastür gesehen, dass noch Licht brannte. So erhob
Weitere Kostenlose Bücher