Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)
nachdenklich.
»Ich verstehe«, meinte er dann. »Sie sind Sowjetbürger, Herr Palanguez?«
»Durchaus nicht«, antwortete Umberto. »Ich habe im Leben Glück gehabt und verfüge über einige Verbindungen …«
Damit kommen wir zum restlichen Sechstel der Welt, zu dem Teil, der nicht so leicht zu bereisen war wie die anderen Länder. Die Einreise in die Sowjetunion war fast unmöglich, und wer die Erlaubnis erhielt, durfte von der vorgeschriebenen Reiseroute nicht abweichen. Alles in diesem Staat war Geheimnis und geschah im Verborgenen. Dennoch ließ sich nicht von der Hand weisen, dass ungeachtet der wunderlichen Propaganda, die Lächerliches verbreitete und alles nur im geringsten Grad Wichtige verschwieg, auf manchen Gebieten Bedeutendes geleistet wurde. Etwa auf dem der Biologie. Man wusste, dass Russland, so wie die übrige Welt von der Lebensmittelknappheit bedroht, an umfangreichen Planungen arbeitete, Wüsten- und Steppengebiete und die nördliche Tundra urbar zu machen und für den Anbau zu erschließen. Hier und da hatte man auch von Erfolgen in dieser Hinsicht gehört. Später jedoch ging man dort in der Biologie unter einem Mann namens Lysenko andere Wege, die der üblichen Geheimhaltung unterlagen. Die neu entwickelten Methoden galten als fragwürdig – aber man war auf bloße Vermutungen angewiesen.
»Sonnenblumen«, überlegte der Direktor laut, »ich weiß zufällig, dass man jetzt wieder an einer Ertragssteigerung von Sonnenblumenöl arbeitet. Aber hier handelt es sich nicht um dieses Öl.«
»Gewiss nicht«, stimmte Umberto zu.
Der Direktor überlegte weiter: »Sie sprachen doch von Samen. Dachten Sie dabei an eine neue Spezies? Denn wenn es sich nur um eine Verbesserung handelt, um eine Art, die leichter zu bearbeiten ist …«
»Nach meinen Informationen handelt es sich um eine neue Spezies, um etwas durchaus Neues.«
»Sie haben sie also nicht gesehen, ich meine, mit eigenen Augen? Es könnte sich am Ende doch um eine veredelte Sonnenblume handeln?«
»Ich habe ein Bild gesehen, Señor. Ich will nicht sagen, dass bei der Pflanze die Sonnenblume keine Rolle gespielt hat. Oder die Steckrübe. Ich will auch nicht sagen, dass nicht etwas von der Nessel oder einer Orchidee dabei ist. Das aber sage ich Ihnen, niemand von Ihnen würde den Sprössling erkennen oder Freude an ihm haben.«
»Ich verstehe. Nun, an welche Summe haben Sie gedacht, wenn Sie uns Samen von diesem Gewächs verschaffen wollen?«
Umberto nannte eine Summe, die den Direktor aus seiner Nachdenklichkeit aufschreckte. Er nahm die Brille ab und musterte seinen Partner. Umberto blieb unbewegt.
»Denken Sie nach, Señor«, sagte er, die einzelnen Punkte an den Fingern abzählend, »die Sache ist schwierig. Und gefährlich sogar. Ich bin nicht furchtsam – aber ich suche die Gefahr nicht zu meinem Vergnügen. Und dann ist da noch ein Mann, ein Russe. Ich muss ihn über die Grenze bringen. Er muss gut bezahlt werden. Da sind andere, die er zuerst bezahlen muss. Ein Flugzeug muss gekauft werden, ein Düsenflugzeug, es muss sehr schnell sein. Das alles kostet Geld.
Das ist nicht leicht, sage ich Ihnen. Die Samen, die Sie kriegen, müssen einwandfrei sein. Der Same dieser Pflanze ist oft unfruchtbar. Ich muss Ihnen Samen bringen, der ausgesucht ist und kostbar. Und in Russland ist alles Staatsgeheimnis und wird geschützt. Es wird bestimmt nicht leicht sein.«
»Zugegeben. Aber dennoch …«
»Finden Sie den Preis so hoch, Señor? In ein paar Jahren werden die Russen mit ihrem Öl die Welt überschwemmen, und mit Ihrer Firma wird es aus sein. Was werden Sie dann sagen?«
»Einige Bedenkzeit ist doch nötig, Herr Palanguez.«
»Selbstverständlich, Señor!«, lächelte Umberto zustimmend. »Ich kann warten – eine Weile wenigstens. Aber bei meinem Preis muss ich bleiben.«
Und er blieb auch dabei.
Entdecker und Erfinder sind der Ruin des Geschäfts. Ein bisschen Sand im Getriebe ist nichts dagegen – man ersetzt die beschädigten Teile, und weiter geht’s. Aber ein neues Herstellungsverfahren, eine neue Substanz, wenn alles doch so wunderbar läuft – das ist teuflisch. Manchmal darf das einfach nicht passieren. Zu viel steht auf dem Spiel. Und wenn legale Mittel nicht weiterhelfen, muss man es eben auf andere Weise probieren.
Denn Umberto hatte noch untertrieben. Die Konkurrenz eines neuen, billigeren Öls würde nicht nur die Arktisch-Europäische Fischölverwertungsgesellschaft vom Markt vertreiben. Die Wirkung
Weitere Kostenlose Bücher