Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)
verfolgt wurden, als sie von den Salven sowjetischer Bordwaffen getroffen wurden.
Und vermutlich zersplitterte unter diesen Salven auch das teebüchsenähnliche Kästchen aus Sperrholz, in dem nach Fedors Aussage die Samen enthalten waren.
Umbertos Flugzeug explodierte oder brach einfach auseinander. Eins jedenfalls ist sicher: Als die Trümmer ihren langen, langen Sturz hinab in den Ozean begannen, blieb in der unermesslichen Höhe etwas hängen, das zunächst wie ein weißes Dunstwölkchen aussah.
Es war kein Dunstwölkchen. Es war ein Samenschwaden, so schwerelos, dass er selbst in dieser luftdünnen Höhe schwebte. Millionen spinnwebzarter Triffidsamen, die nun frei in der Luft hingen. Ein Spiel aller Winde …
Wochen, vielleicht Monate mochte es dauern, bevor sie die Erde erreichten, manche nach einem Flug von mehreren Tausend Meilen.
Das ist alles, ich wiederhole es, Vermutung. Aber wie soll man sonst erklären, dass diese bisher so sorgsam geheim gehaltene Pflanze auf einmal in fast allen Teilen der Welt auftauchte?
Ich bekam früh eine Triffid zu sehen. Eine der ersten in der Umgebung wuchs zufällig in unserem Garten. Als wir sie entdeckten, war sie schon recht gut entwickelt; sie hatte sich nämlich, mit ein paar anderen ungebetenen Gästen, hinter dem Stück Hecke angesiedelt, das den Komposthaufen abschirmte. Dort tat sie keinen Schaden und war niemandem im Weg. Wir sahen daher, auch nachdem wir sie entdeckt hatten, nur dann und wann nach, wie sie gedieh, und ließen sie sonst in Ruhe.
Eine Triffid fällt jedoch einfach auf, und so wurden wir schließlich neugierig. Nicht sehr – denn schließlich gibt es in vernachlässigten Ecken eines Gartens immer ein paar unbekannte Gewächse, die es irgendwie geschafft haben, Wurzeln zu schlagen –, doch genug, um zu bemerken, dass die Pflanze ziemlich merkwürdig aussah.
Heutzutage, da jeder weiß, wie eine Triffid aussieht, ist es schwierig, den fremdartig bizarren Eindruck zu beschreiben, den die ersten auf uns machten. Soviel ich weiß, ahnte man damals noch nichts Böses. Man verhielt sich ihnen gegenüber wohl allgemein auf die gleiche Art wie mein Vater.
Ich sehe ihn noch vor mir, wie er die unsere betrachtete und prüfte, als sie etwa ein Jahr alt war. Sie war halb so groß wie eine ganz ausgereifte Triffid, bot aber sonst in jeder Einzelheit das genaue Bild einer reifen, die damals noch kein Mensch gesehen und die auch noch keinen Namen hatte. Vorgebeugt, musterte sie mein Vater durch seine Hornbrille. Er untersuchte den geraden Schaft und den holzigen Strunk, aus dem er hervorwuchs. Ebenso die drei kurzen kahlen Stiele neben dem Stängel. Er rieb die kurzen, lederartigen, grünen Blätter zwischen Daumen und Zeigefinger, als könne ihm ihre Beschaffenheit irgendeinen Aufschluss geben. Dann spähte er in das sonderbare trichterartige Gebilde auf der Spitze des Stängels, kam aber auch hier zu keinem Ergebnis. Ich erinnere mich, wie er mich das erste Mal emporhob, um mich in diesen Trichter hineinblicken zu lassen, sodass ich den dicht befiederten Kolben sehen konnte, der, nicht unähnlich einem eng zusammengerollten Farnwedel, ein paar Zoll hoch im Grund des Kelches aus einer klebrigen Masse herausragte; ich rührte sie nicht an, merkte aber an den Fliegen und kleinen Insekten, die darin zappelten, dass sie klebrig sein musste.
Mehr als einmal murmelte mein Vater, was für ein merkwürdiges Ding das sei und dass er herausfinden wolle, um was für eine Pflanze es sich da eigentlich handelte. Ich glaube, er hat sich nie die Mühe gemacht, und er hätte damals auch nicht viel erfahren, wenn er es versucht hätte.
Das Ding in unserem Garten hatte inzwischen eine Höhe von etwa einem Meter zwanzig erreicht. Es muss damals schon viele Triffids gegeben haben; still und unauffällig wuchsen sie, von niemandem besonders beachtet, so sah es zumindest aus. Denn wenn die Biologen und Botaniker damals schon von der Entdeckung elektrisiert gewesen sein sollten, drang darüber jedenfalls nichts an die Öffentlichkeit. Und so wuchs die Triffid in unserem Garten ungestört weiter wie tausend andere in abgelegenen Winkeln auf der ganzen Welt.
Wenig später geschah es, dass die erste ihre Wurzeln hob und zu wandern begann.
Diese unwahrscheinliche Leistung muss natürlich in Russland schon einige Zeit bekannt gewesen sein und galt dort zweifellos als Staatsgeheimnis. Aber die ersten Triffids außerhalb der Sowjetunion – das haben meine Nachforschungen ergeben
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