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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
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bald verlassen werden sollte – der Abmarsch sei für morgen zwölf Uhr angesetzt. Alles, was zur Aufrechterhaltung eines einigermaßen erträglichen Lebensstandards notwendig sei, sei herangeschafft worden. Unsere Vorräte sollten uns für mindestens ein Jahr von der Außenwelt unabhängig machen. Während dieses Zeitraums würden wir praktisch wie im Belagerungszustand leben. Zweifellos wäre es uns allen erwünscht, außer den in den Listen verzeichneten Gegenständen noch das eine oder andere mitzunehmen, doch müsse damit gewartet werden, bis der Sanitätsstab (hier errötete die zweite Dame des Komitees tief) die Isolierung für aufgehoben und die Ausfahrt von Organisierkommandos für zulässig erkläre. Was den Ort dieser Isolierung anlange, so sei das Komitee nach reiflicher Erwägung alles dessen, was von einer solchen Zufluchtstätte verlangt werden müsse, zu dem Schluss gekommen, dass ein Provinzinternat oder ein größerer Gutshof sich am besten für unsere Zwecke eignen würde.
    Ob sich das Komitee wirklich noch nicht für einen bestimmten Ort entschieden hatte oder ob der Oberst aus alter militärischer Gewohnheit am Grundsatz der Geheimhaltung festhielt, konnte ich nicht sagen; ich war aber überzeugt, dass es der schwerste Fehler an diesem Abend war, uns weder den in Aussicht genommenen Ort noch wenigstens die Gegend bekanntzugeben.
    Ansonsten wirkte die praktische Art des Obersten durchaus beruhigend.
    Als er sich setzte, ergriff Michael nochmals das Wort. Er sprach der verlegenen jungen Dame Mut zu und stellte sie vor. Es sei, sagte er, eine unserer größten Sorgen gewesen, dass wir niemand unter uns hatten, der über medizinische Kenntnisse verfügte, er begrüße daher Miss Berr mit besonderer Erleichterung. Sie besitze zwar keinen akademischen Grad, dafür aber eine gründliche Ausbildung als Pflegerin. Er selbst halte von frisch erworbenem Wissen mehr als von einem vor Jahren ausgestellten Diplom.
    Neuerdings errötend, sagte das Fräulein mit wenigen Worten, sie wolle ihr Bestes tun, woran sie ziemlich abrupt die Mitteilung schloss, dass sie uns alle gegen eine ganze Reihe von Krankheiten impfen werde, bevor wir den Saal verließen.
    Dann kam ein kleiner Mann, der etwas Spatzenartiges hatte, und schärfte uns ein, dass die Gesundheit jedes Einzelnen von uns das Interesse aller berühre, jede Erkrankung sei sofort zu melden, da der Ausbruch einer ansteckenden Krankheit unter uns die ernstesten Folgen haben würde.
    Als er sich setzte, erhob sich Sandra, um dem letzten Redner der Gruppe das Wort zu erteilen: Dr. E. H. Vorless aus Edinburgh, Professor der Soziologie an der Universität Kingston.
    Der alte Herr mit dem schlohweißen Haar trat an das Pult. Einige Augenblicke stand er schweigend, den Kopf gesenkt, die Fingerspitzen auf dem Pult, als prüfe er es. Die hinter ihm sitzenden Mitglieder des Komitees beobachteten ihn aufmerksam und nicht ohne Unruhe. Der Oberst lehnte sich seitwärts, um Michael etwas zuzuflüstern. Der nickte, ohne seinen Blick von dem Professor abzuwenden. Der alte Herr blickte auf. Er strich sich über das Haar.
    »Meine Freunde«, sagte er, »ich darf wohl annehmen, dass ich hier der Älteste bin. Im Laufe von fast siebzig Jahren habe ich vieles gelernt, auch vieles wieder verlernen müssen – und doch nicht genug, wie mich dünkt. Und wenn mich bei meinem Studium menschlicher Einrichtungen und Organisationsformen etwas noch stärker gefesselt hat als ihre Zähigkeit, so ist es ihre Vielfalt.
    Mit Recht sagt man: Andere Zeiten, andere Sitten. Bei einigem Nachdenken müssen wir alle erkennen, dass das, was in der einen Gemeinschaft als Tugend gilt, in einer anderen ein Verbrechen sein kann; dass das, was hier abgelehnt und verworfen wird, anderswo als lobenswert und rühmlich gelten kann; dass man in dem einen Jahrhundert Dinge verurteilt, die man in einem anderen verzeihlich findet. Aber wir dürfen auch nicht übersehen, dass jede Gemeinschaft und jede Zeit an die moralische Überlegenheit der eigenen Werte glaubt.
    Da indessen viele dieser Wertvorstellungen einander widersprechen, ist es klar, dass sie nicht alle in einem absoluten Sinn ›richtig‹ sein können. Das objektivste Urteil, das hier möglich ist – wenn überhaupt geurteilt werden soll –, wäre zu sagen, dass sie zu einer bestimmten Zeit »richtig« waren für die Gemeinschaften, die sich zu ihnen bekannten. Vielleicht haben sie diese Gültigkeit auch noch heute, aber oft findet man, dass sie sie

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