Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)
mit seiner Größe. Neben ihm erkannte ich den Oberst. Die anderen waren mir unbekannt, bis auf Elspeth Cary, die nun, offenbar zur Information der Nachwelt, ihre Kamera mit einem Protokollbuch vertauscht hatte. Mittelpunkt der Gruppe aber war ein alter Herr von hässlichem, doch leutseligem Aussehen, mit goldgefasster Brille und schlohweißem Haar, um den alle etwas besorgt zu sein schienen.
Das zweite weibliche Wesen im Komitee war ein junges Ding von vielleicht zwei- oder dreiundzwanzig Jahren. Sie schien sich in dieser Umgebung nicht sehr wohl zu fühlen und blickte hie und da nervös und unsicher auf die Zuhörerschaft.
Sandra Telmont trat ein mit einem Bogen Papier in der Hand. Sie warf einen Blick auf das Blatt und wies schnell die einzelnen Personen des Komitees zu ihren Sitzplätzen. Dann gab sie Michael ein Zeichen, und er trat an das Vortragspult.
Etwas vorgebeugt, seine düsteren Augen auf die Zuhörer gerichtet, wartete er auf das Ende des Gemurmels. Er sprach mit einer angenehmen, geschulten Stimme und im Plauderton.
»Viele unter uns«, begann er, »werden noch immer gelähmt sein von der Katastrophe, die uns betroffen hat. Die Welt, die wir gekannt haben, ist mit einem Schlag versunken. Einigen von uns mag das als das Ende aller Dinge vorkommen. Das ist eine Täuschung. Doch will ich gleich jetzt sagen: Es kann das Ende sein – wenn wir es zulassen.
So ungeheuerlich die Katastrophe ist, so besteht doch noch immer eine begründete Aussicht auf ein Weiterleben. Es ist vielleicht nicht unangebracht, hier daran zu erinnern, dass wir keineswegs die Einzigen sind, die ein Unglück so umfassender Art erlebt haben. Die Sagen von der Sintflut sind nicht nur Sagen; weit zurück in der Menschheitsgeschichte hat es wirklich eine große Überflutung gegeben. Die Überlebenden von damals müssen sich einem Unheil gegenübergesehen haben, das an Größe dem unseren in nichts nachstand, ja vielleicht in mancher Hinsicht noch schrecklicher war. Dennoch verzweifelten sie nicht; sie begannen wieder von vorn, so wie wir wieder beginnen können.
Mit Selbstmitleid und tragischen Mienen ist nichts getan. Verzichten wir ein für allemal darauf. Denn wir müssen aufbauen.
Und dann möchte ich, um keine romantische Untergangsstimmung aufkommen zu lassen, auch noch darauf hinweisen, dass das, was geschehen ist, keineswegs das Schlimmste ist, was hätte geschehen können. Ich und wahrscheinlich viele von Ihnen haben Schlimmeres erwartet. Und ich bin noch immer der Meinung, wäre diese Katastrophe nicht eingetreten, dann wäre dieses Schlimmere über uns hereingebrochen.
Seit dem 6. August 1945 haben sich die Überlebenschancen auf unserem Planeten erschreckend verringert. Ja, man kann sagen, sie waren vor zwei Tagen geringer als in diesem Augenblick. Wer dramatische Situationen sucht, der kann in den Jahren nach 1945 reiches Material finden, als der Weg, auf dem wir gehen mussten, zum Seil über einem Abgrund schrumpfte und man nur mit geschlossenen Augen weiterwandern konnte.
In den Jahren seither hätte der verhängnisvolle Fehltritt jeden Augenblick erfolgen können. Es ist ein Wunder, dass es nicht geschah. Es ist ein doppeltes Wunder, dass es jahrelang so weitergehen konnte.
Aber früher oder später hätte es zu dem Fehltritt kommen müssen. Gleichviel, ob durch Absicht, Leichtsinn oder bloßen Zufall: Das Gleichgewicht wäre verlorengegangen und die Vernichtung entfesselt worden.
Wie schlimm es geworden wäre, können wir nicht sagen. Wie schlimm es hätte werden können – nun, vielleicht hätte es keinen einzigen Überlebenden gegeben, vielleicht keinen Planeten …
Und jetzt, zum Vergleich, unsere Lage: Die Erde ist heil und unversehrt, fruchtbar wie immer. Nahrung und Rohstoffe sind vorhanden, die Archive des Wissens erhalten. Wir haben die Möglichkeit, alles zu lernen, was vor uns gelehrt und gelernt wurde, aber manches davon wollen wir lieber vergessen. Und wir haben die Mittel – die Gesundheit und die Kraft –, noch einmal von vorne anzufangen.«
Die Rede war nicht lang, doch sie tat ihre Wirkung. Sie mochte nicht wenigen der Versammelten das Gefühl geben, eher vor einer Art von Anfang zu stehen als vor dem Ende aller Dinge. Wenn er auch kaum mehr zu bieten hatte als Allgemeines, die Stimmung im Saal war zuversichtlicher, als er sich setzte.
Nach ihm sprach der Oberst, der sich dem Konkreten und Aktuellen zuwandte. Er erinnerte, dass aus gesundheitlichen Gründen das bebaute Gebiet möglichst
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