Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)
dem Regen ein bloßes Getröpfel geworden. Ich schaltete die Lampe ein und sandte einen prachtvollen Lichtkegel hinaus in die Finsternis. Langsam ließ ich ihn über die gegenüberliegenden Berghänge gleiten, gleichzeitig nach einem antwortenden Licht ausspähend. Mehr als ein Dutzend Mal wiederholte ich dieses Manöver; nach jeder Schwenkung schaltete ich für einige Minuten aus, in denen wir nach dem schwächsten Lichtschimmer Ausschau hielten. Doch die Nacht über den Bergen blieb pechschwarz. Dann kam der Regen wieder in Strömen herunter. Ich drehte den Lichtkegel geradeaus nach vorn und wartete, während die Wassertropfen auf das Schutzdach trommelten und Susan, an meinem Arm lehnend, einschlief. So verging eine Stunde, dann wurde aus dem Trommeln ein Klopfen, das zuletzt auch verstummte. Susan wachte auf, als ich neuerdings die Gegend abzuleuchten begann. Ich hatte eben die sechste Schwenkung beendet, als sie ausrief: »Schauen Sie, Bill! Da ist es! Da ist ein Licht!«
Sie deutete nach links. Ich schaltete den Scheinwerfer aus und spähte in die angewiesene Richtung. Sicher war es nicht. Es konnte eine optische Täuschung sein: ein schwacher Schimmer wie von einem fernen Glühwürmchen. Und ehe wir uns vergewissern konnten, strömte von Neuem eine Regenflut herab. Als ich nach meinem Fernglas griff, war überhaupt nichts mehr zu sehen.
Ich wagte nicht weiterzufahren. Möglicherweise war das Licht, falls es ein Licht war, von einer tieferen Stelle aus nicht sichtbar. Wiederum richtete ich den Scheinwerfer nach vorn und wartete mit so viel Geduld, wie ich aufbringen konnte. Nochmals verging beinahe eine Stunde, bis der Regen nachließ. Sobald er aussetzte, schaltete ich unser Licht aus.
»Da ist es!«, rief Susan aufgeregt. »Schauen Sie! Schauen Sie!« Da war es. Und hell genug, um jeden Zweifel auszuschließen; Einzelheiten allerdings vermochte ich auch durch mein Fernglas nicht zu unterscheiden.
Ich schaltete den Scheinwerfer ein und gab das Morsezeichen für V wie Victory, das Einzige, das ich außer SOS kenne. Das andere Licht blinkte und sandte dann eine Reihe deutlicher Längen und Kürzen, mit denen ich leider nichts anzufangen wusste. Ich antwortete mit einer Reihe Vs, zeichnete die Linie, in der das Licht zu liegen schien, in meine Karte und schaltete die Autoscheinwerfer ein.
»Ist das die Dame?«, fragte Susan.
»Sie muss es sein«, sagte ich. »Sie muss es sein.«
Es war eine mühsame Fahrt. Wir mussten, um die sumpfige Senke zu durchqueren, eine westwärts führende Straße einschlagen und uns dann am Fuß des Höhenzugs wieder nach Osten zurückarbeiten. Wir waren kaum mehr als eine Meile gefahren, als sich etwas vor das ferne Licht schob. Auf der finsteren Landstraße war die Orientierung schwierig, zum Überfluss kam ein neuer Regenguss. Da niemand für die Regulierung der Abflussschleusen sorgte, waren manche Felder bereits überflutet, und auch die Straße stand stellenweise unter Wasser. Ich war gezwungen, langsam und vorsichtig zu fahren, während ich vor lauter Ungeduld am liebsten Vollgas gegeben hätte.
Auf der anderen Seite des Tales waren wir zwar aus dem überfluteten Gebiet heraus, kamen aber nicht viel schneller vorwärts, da die Straße sich in vielen Schleifen und Kurven dahinwand. Ich musste meine ganze Aufmerksamkeit dem Steuern zuwenden, während die Kleine die Bergflanken neben uns nach dem verschwundenen Licht absuchte. Wir erreichten den Punkt, wo die Linie auf meiner Karte unsere Straße kreuzte, ohne dass sich das Licht wieder gezeigt hatte. Ich versuchte es mit der nächsten Abzweigung, die bergauf führte – und brauchte fast eine halbe Stunde, um von der Kreidegrube, zu der sie uns geführt hatte, auf unsere Straße zurückzukommen.
Wir setzten die Fahrt auf der unteren Straße fort. Dann erspähte Susan rechts von uns durch die Baumwipfel einen Lichtschimmer. Bei der nächsten Abzweigung hatten wir mehr Glück. Sie führte schräg zurück und bergauf, bis wir auf dem Hang etwa eine halbe Meile vor uns ein kleines, hell erleuchtetes Fenster erblickten.
Auch jetzt war es selbst anhand der Karte nicht leicht, die richtige Straße zu finden. Noch immer kletterten wir langsam bergauf, kamen dem Fenster aber doch merklich näher. Die Straße war für schwere Fahrzeuge ungeeignet. An engeren Stellen schlugen Büsche und Sträucher gegen die Wagenwände, als suchten sie uns zurückzuhalten.
Endlich schwankte auf der Straße vor uns eine Laterne. Sie bewegte sich
Weitere Kostenlose Bücher