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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
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losgefahren war, zu verdüstern. Als ich den Defekt behoben hatte, war es ein Uhr, und der Himmel hatte sich aufgeklart.
    Die Sonne kam heraus. Obwohl alles nun vor Frische funkelte und die nächsten zwanzig Meilen reibungslos verliefen, vermochte ich einer wachsenden Niedergeschlagenheit nicht Herr zu werden. Ich konnte mich jetzt, wo ich ganz auf mich allein gestellt war, des Gefühls der Verlassenheit nicht erwehren. Es überfiel mich wieder wie an dem Tag, als wir uns aufgeteilt hatten, um Michael Beadley zu suchen – nur diesmal mit doppelter Gewalt. Bis dahin war Einsamkeit nur etwas Negatives für mich gewesen – eine Abwesenheit menschlicher Gesellschaft, zeitlich begrenzt, nicht mehr. An jenem Tag erfuhr ich, dass Einsamkeit weit mehr war. Dass sie lasten und bedrücken konnte, Zerrbilder schaffen und die Erkenntnisfähigkeit des Geistes verringern. Dass sie etwas Feindliches war, das ringsum lauerte, die Nerven in schreckhafter Spannung hielt und einen nie vergessen ließ, dass niemand da war, der raten und helfen konnte. Sie machte einem klar, dass man nichts weiter war als ein Pünktchen im Ungeheuren, und sie wartete die ganze Zeit auf die Gelegenheit, ihre Schrecken loszulassen – und das musste man verhindern.
    Ich musste meine ganze Widerstandskraft aufbieten, um nicht umzukehren. Hätte mich nicht die Hoffnung aufrechtgehalten, am Ziel meiner Fahrt Menschen zu finden, ich wäre zu Coker und den anderen zurückgekehrt.
    Die Bilder, die ich unterwegs sah, hatten damit wenig oder nichts zu tun. So grässlich einige auch waren, ich war nun abgehärtet. Der Schrecken hatte sich daraus verflüchtigt, so wie das Grauen, das große Schlachtfelder umwittert, zur Geschichte verblasst. Auch war dies alles für mich nicht mehr Teil einer gewaltigen und erschütternden Tragödie. Mein Kampf war ein rein persönlicher gegen die Instinkte meiner Gattung. Es war ein unausgesetzter Verteidigungskampf ohne Aussicht auf einen endgültigen Sieg. Im Grund meines Herzens wusste ich, dass ich allein nicht lange standhalten konnte.
    Um mich abzulenken, fuhr ich schneller, als gut war. In einem vergessenen Städtchen rammte ich, als ich um eine Ecke bog, einen Lastwagen, der die ganze Straße blockierte. Zum Glück bekam mein eigener, robuster Wagen nur ein paar Kratzer ab, doch die beiden Fahrzeuge hatten sich auf eine so unwahrscheinlich teuflische Art ineinander verkeilt, dass es für mich allein und auf dem beschränkten Raum ein ungemein mühevolles Geschäft war, sie wieder auseinanderzubringen. Es nahm eine volle Stunde in Anspruch, hatte aber das Gute, dass ich meine Aufmerksamkeit praktischen Dingen zuwenden musste.
    Danach verlangsamte ich das Tempo, ausgenommen ein paar Minuten nach meiner Einfahrt in den New Forest. Ich erspähte nämlich über den Baumwipfeln einen Hubschrauber in geringer Höhe. Ein Stück voraus musste er meine Route kreuzen. Leider standen hier die Bäume zu beiden Seiten der Straße besonders dicht, sodass diese von oben wohl kaum zu sehen war. Ich legte los, aber als ich offenes Gelände erreichte, war die Maschine nur mehr ein Punkt, der sich nach Norden entfernte. Dennoch wirkte selbst diese Begegnung tröstlich auf mich.
    Etwas später kam ich durch ein malerisch im Grünen liegendes Dörfchen, das mit seinen Stroh- und Ziegeldächern und seinen blühenden Gärten wie aus einem Bilderbuch aussah. Ich hütete mich allerdings, zu nahe an den Gärten vorüberzufahren; denn allzu oft sah ich aus den Blumen die fremdartige Gestalt einer Triffid emporragen. Ich war fast schon am Ortsende, als aus einer der letzten Gartentüren ein Kind auf die Straße sprang und, mit beiden Händen winkend, mir entgegenlief. Ich stoppte, hielt nun beinahe schon instinktiv nach Triffids Ausschau, ergriff meine Flinte und stieg aus.
    Das Kind trug ein Kleid aus blauem Baumwollzeug, weiße Socken und Sandalen und war etwa neun oder zehn Jahre alt. Ein hübsches kleines Mädchen – das konnte ich sehen, obwohl das dunkelbraune, lockige Haar wirr und ungepflegt um das tränenverschmierte Gesichtchen hing. Es zog mich am Ärmel.
    »Bitte, bitte«, sagte es aufgeregt, »bitte, kommen Sie und schauen Sie, was mit Tommy ist.«
    Ich starrte auf es hinunter. Die furchtbare Einsamkeit dieses Tages löste sich, sie zerbrach wie ein Gehäuse, in das ich mich eingeschlossen hatte. Am liebsten hätte ich die Kleine aufgehoben und an meine Brust gedrückt. Ich fühlte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Sie fasste

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