Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Einschaltquoten und ihre Bücher waren Bestseller. Einer von ihnen hatte sogar mehrere Präsidenten in spirituellen Angelegenheiten beraten.
Ihre Botschaften waren allerdings recht unterschiedlich. Drei versprachen gleichermaßen Erlösung und Wohlstand (aber sie nannten es »Fülle« und bemühten sich, immaterielle Werte mit einzubeziehen, etwa »eine Fülle an Liebe« oder »eine Fülle an Gesundheit«). Die anderen beiden interessierte dergleichen überhaupt nicht. Sie warnten, das Ende der Zeit stehe bevor, und das einzig Wichtige sei, rechtzeitig mit Jesus ins Reine zu kommen, um ins Himmelreich aufgenommen zu werden. Denn die auf Erden Zurückgebliebenen würden von Kummer und Leiden heimgesucht.
Trotz ihrer Differenzen hatten sie sich zu einer Live-Diskussion im Fernsehen zusammengefunden, um eine dringende Botschaft an die Welt zu richten:
Reverend Tim Trinity ist kein Diener Gottes. Er bringt seine Anhänger vom rechten Weg ab. Sie werden nicht Erlösung erfahren, sondern ewige Verdammnis.
Sie zitierten jede Menge Bibelsprüche und erklärten haarklein, warum jedes dieser Zitate ihre Botschaft untermauere. Häufig wiederholten sie ihre Warnung und jedes Mal in exakt dem gleichen Wortlaut.
Andrew Thibodeaux saß an einem Resopaltresen, und während er auf den Fernseher starrte, rührte er abwesend Zucker in seine achte Tasse Kaffee. Er hatte an der Chevron-Tankstelle nebenan getankt und wäre an der Tanksäule fast eingeschlafen. Als er die Augen aufriss, fiel ihm die gelbe Aluminiumverkleidung mit den vertrauten, schwarz glänzenden Lettern ins Auge, und plötzlich spürte er, wie hungrig er war.
WAFFLE HOUSE
Dieser Schriftzug kam im ganzen Süden der Einladung in eine Oase gleich. Selbst der rotweiß-blaue Streifen am oberen Rand der Speisekarte wirkte tröstend und beruhigend. Tim Trinity war kein Messias und nichts ergab mehr einen Sinn, aber ein Waffle House war immer noch ein Waffle House,
buttermilk biscuits
waren immer noch
buttermilk biscuits
und Amerika war und blieb Amerika.
Andrew brauchte diese Gewissheit. Er brauchte sie dringend.
Aber es reichte einfach nicht.
Und die Endzeitprediger im Fernsehen gaben sich nicht einfach damit zufrieden zu sagen, was Trinity nicht war, sondern spekulierten auch darüber, was er denn nun war.
Pastor Billy Danforth sagte: »Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich behaupte ja gar nicht, Tim Trinity sei der Antichrist. Ich sage nur, es ist nicht ausgeschlossen, und als Seelsorger haben wir die Pflicht zu prüfen, ob es Anzeichen dafür gibt …«
Die Kellnerin roch nach Altfrauenparfum. Sie blieb bei Andrew stehen, um die leeren Teller mitzunehmen, und machte eine Bemerkung darüber, wie viel Kaffee er trank. Er hatte nicht hingehört, aber da sie lachte, vermutete er, dass sie einen Witz gemacht hatte. Deshalb machte er ein freundliches Gesicht und lachte gezwungen, bevor er sich wieder dem Fernseher zuwandte.
»… Die Prophezeiungen in der Heiligen Schrift beschreiben den Sohn des Verderbens und vieles davon trifft auf Trinity zu, das lässt sich nicht leugnen. Stellt er sich nicht als Apostel Jesu Christi dar, während er einen ganz anderen Jesus predigt? Kämpft er nicht mit den Heiligen? Versucht er nicht, Gottes Gesetz zu ändern? In seiner letzten Fernsehpredigt sagte er: ›Paulus hatte unrecht.‹ Wenn das keine Kampfansage an die Heiligen ist, was dann?«
Andrew merkte, dass er immer noch seinen Kaffee umrührte, und legte den Löffel aus der Hand.
»… Redet er nicht in Zungen von großen Dingen, und ist er etwa nicht verschlagen, und wundert sich nicht die ganze Erde über ihn? Ja, hat er nicht Millionen getäuscht und sie glauben gemacht, er sei der wiedergekehrte Messias?«
Andrew nahm einen Schluck Kaffee, aber er war kalt.
»Der Antichrist wird aus dem Wasser emporsteigen«, warf der andere Endzeitprediger rasch ein. »Und dieser Mann ist auf der Flutwelle des Hurrikans Katrina zu immer größeren Erfolgen aufgestiegen. Es ist schon verdächtig, dass wir so gar nichts über Tim Granger wissen, denn so heißt er wirklich. Ich weigere mich, ihn Trinity zu nennen. Über seine Familie väterlicherseits ist nichts bekannt …«
Andrew Thibodeaux kippte den Rest Kaffee hinunter, gab der Kellnerin ein Zeichen, nachzufüllen, und starrte wieder auf den Bildschirm.
68
New Orleans
Als sie in die Stadt kamen, stellte Daniel entsetzt fest, wie viele Dächer noch mit blauen Planen bedeckt waren: Überall auf Auffahrten und
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