Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Orientteppich; dazu ein Sammelsurium aus folkloristischem Kunsthandwerk und Ölgemälden, alle mit religiösen Motiven, teils Voodoo, teils katholisch. In einer Ecke stand ein Altar, darauf brennende Kerzen, Räucherstäbchen und verschiedene Fetische: ein Ei in einer Schüssel mit Maismehl, ein schwarzer Hühnerfuß an einem Lederband, drei Orangen, eine offene Flasche Barbancourt-Rum, eine Maiskolbenpfeife, Wahrsagermuscheln, eine Jalapenknolle, ein kleiner Flakon Florida-Water-Parfum, der Schädel eines Alligatorbabys … über dem Altar ein gerahmter Spiegel und ein aus Mahagoni geschnitztes Kruzifix.
Angelica stand in einer Kochnische. Mit dem Rücken zu Daniel.
»Alles in Ordnung?«
Sie drehte sich zu ihm um, ein kleines Sherryglas in der Hand, und zwang sich zu einem Lächeln. »Entschuldigen Sie, wie unhöflich von mir.« Sie deutete auf die Couch. »Bitte kommen Sie herein und Ihr Freund auch. Darf ich Ihnen ein Glas Portwein anbieten?«
»Ja, bitte, Ma’am«, sagte Trinity. »Das wäre nett.« Er ging an Daniel vorbei und setzte sich auf die Couch.
Angelicas Blick blieb auf Daniel haften. Sie schien sein Gesicht zu studieren. »Sie sind Daniel, nicht wahr?«
»Woher …?«
»Sie würden’s mir doch nicht glauben«, sagte sie.
»Ich schon«, sagte Trinity.
Angelicas Hand zitterte leicht, als sie die Gläser füllte. »Ich habe letzte Nacht von Ihnen geträumt, Daniel«, sagte sie. »Und ich bin mit Ihrem Namen auf den Lippen aufgewacht. Ich weiß, es hört sich verrückt an …«
Daniel fühlte sich ganz benommen. Er fragte: »Habe ich in Ihrem Traum irgendetwas gesagt? Haben wir miteinander gesprochen?«
Angelica nickte. »Sie sind in den Laden gekommen und haben mich mit Namen angesprochen. Sie sagten: ›Du musst verstehen, Angelica, wir gehen diesen Weg gemeinsam.‹ Und ich habe gefragt: ›Was für einen Weg? Wer bist du?‹ Aber Sie haben nur gelächelt, und dann haben Sie sich umgedreht und sind weggegangen. Und dann bin ich aufgewacht. Das war’s.« Sie musterte ihn erneut. »Es ist wirklich unglaublich, Sie sehen genauso aus wie in meinem Traum.«
69
Tennessee Williams Suite, Hotel Monteleone
William Lamech hatte die Männer mit der strikten Anweisung, sich alle drei Stunden zu melden, zu einer Liquidierungsmission ausgesandt. Die letzte SMS von Samson Turner hatte er kurz vor Sonnenaufgang bekommen: PHASE 2 BEGONNEN. Sie hatten den Wagen gefunden und holten zum Vernichtungsschlag aus.
Aber seitdem kein Wort mehr. Lamech sah auf seine Uhr. Sie hätten sich inzwischen schon dreimal melden müssen. Wenn sie verhaftet worden wären, hätte er es erfahren. Wenn etwas schiefgelaufen war, dann hätten sie sich bei ihm gemeldet, wenn sie konnten.
Lamech hatte es im Leben nicht so weit gebracht, indem er sich etwas vormachte, und jetzt würde er auch nicht damit anfangen. Die Männer waren tot.
Er ging die Nummern in seinem Handy durch, bis er die Durchwahl von Eric Murphy fand. Murphy war Seniorpartner in einer altehrwürdigen kanadischen Anwaltskanzlei mit Büros im historischen Viertel von Montreal und mindestens einem ehemaligen Premierminister auf der Gehaltsliste. Lamech hatte der Firma in den letzten fünf Jahren jährlich eine halbe Million Dollar gezahlt. Die Rechnungen wurden für »Rechtsberatung« ausgestellt,aber das war nur vorgeschoben. In Wirklichkeit zahlte er das Geld als Pauschale, um jederzeit auf die Dienste eines Manns namens Lucien Drapeau zurückgreifen zu können. Man konnte nur über Eric Murphy Verbindung mit Drapeau aufnehmen, und sich diese Möglichkeit offenzuhalten, war die fünfhunderttausend Dollar pro Jahr allemal wert. Falls man Drapeau tatsächlich anheuern wollte, kostete einen das weitere fünf Millionen.
Lucien Drapeau war der teuerste Auftragskiller der westlichen Welt. Es hieß, er hätte bisher jeden Auftrag erfolgreich ausgeführt.
Aber was William Lamech an Drapeau so sehr beunruhigte, war nicht der Preis und auch nicht die Möglichkeit, dass es schieflaufen könnte. Sondern Drapeaus vollkommene Unabhängigkeit. Er war wie ein Gespenst. Die Klienten der Anwaltskanzlei wussten nicht, wo er wohnte, wie er aussah oder wie er reiste. Die Konditionen waren einfach: die erste Hälfte im Voraus, die andere Hälfte bei Tod der Zielperson. Kein Treffen, keine Einzelheiten und keine Versprechungen. Wenn man ihm fünf Millionen gab, um irgendeinen Kerl um die Ecke zu bringen, war es nicht auszuschließen, dass er anschließend noch einmal fünf
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