Die Trinity-Anomalie (German Edition)
warum Sie hier sind. So wie Katholiken Fürbitten an Heilige richten, so beten wir zu den Unsichtbaren. Aber anstatt nur eine Kerze anzuzünden, bringen wir Opfer in Form von Speisen und Getränken, Weihrauch, Musik und Tanz dar. Wir fordern die Unsichtbaren auf, von unseren Körpern Besitz zu ergreifen, damit sie für kurze Zeit die physische Welt erfahren können. Im Gegenzug helfen sie uns auf unserer Reise durchs Leben. Wir kümmern uns um ihre Bedürfnisse und sie sich um unsere.«
»Okay, aber ich dachte, die Besessenheitsrituale seien nur den Eingeweihten vorbehalten«, sagte Trinity.
Sie nickte. »Ich werde in Trance verfallen und die Loa werden von mir Besitz ergreifen. Ich agiere für Sie als Mittlerin. Sie werden wahrscheinlich die Anwesenheit der Loa spüren, spüren, wie sie bei Ihnen anklopfen, aber sie dringen nicht uneingeladen ein. Keine Bange, es ist ganz und gar nicht unangenehm. Es ist eher ein Trost zu wissen, dass wir nicht allein sind.« Sie lächelte und legte ihre Hand auf Trinitys Knie. »Sie werden schon sehen.«
Zwei Stunden nach Sonnenuntergang hielt Daniel gegenüber Trinitys alter Villa in Lakeview an. Er hatte darauf bestanden, wenigstens zu warten, bis es dunkel war. Überhaupt hierherzukommen war ungeheuer riskant – »taktisch extrem unklug«, hätte Pat gesagt –, aber die Priesterin meinte, dies sei ein wesentlicher Teil des Rituals.
Sie hatte erklärt, wie so eine Zeremonie im Allgemeinen ablief. Aber um zu wissen, welche Unsichtbaren sie um Hilfe anrufen sollte, müsse sie mehr über Trinitys Vergangenheit erfahren, hatte sie gesagt.
Sie hatte Kaffee und Beignets serviert und Trinity hatte über zwei Stunden lang geredet. Er erzählte ihr von seiner Kindheit, seiner Zeit als Prediger bei Erweckungsgottesdiensten und seinem Aufstieg zum wohlhabenden Fernsehprediger, von Katrina, seinem Neuanfang in Atlanta, den Stimmen, dem Zungenreden und wie Daniels zurückgekehrt war und ihm von den Prophezeiungen berichtet hatte. Wie er vergeblich versucht hatte, die Ölraffinerie zu warnen, und wie er anschließend zum Glauben fand. Er erzählte von den Mordversuchen und erklärte, er wolle wirklich Gottes Willen verstehen und danach handeln.
»Sie waren im Krieg mit sich selbst und jetzt sind Sie im Krieg mit den Mächten der Finsternis«, sagte Angelica. »Sowohl in Angelegenheiten der persönlichen Veränderung als auch im Kampf ist Shango der nützlichste Loa. Deshalb werden wir ihn heute Nacht herbeirufen.« Dann erklärte sie ihnen den Weg zum Haus ihrer Schwester im Ninth Ward. Sie sollten um Mitternacht dort sein und etwas Erde vom Grundstück der alten Villa mitbringen.
Beim Aussteigen nahm Daniel die Straße in Augenschein. In einigen Häusern brannte Licht, aber die Straße war menschenleer. Alle anderen Häuser waren nach dem Hurrikan instand gesetzt worden und glänzten wieder in alter Pracht, nur Trinitys alte Villa steckte noch mitten in der Renovierung, mit einem Container in der Auffahrt und einem kleinen Traktor im Hof. Sie überquerten die Straße, Trinity mit einem Einmachglas in der Hand und Daniel mit seiner Hand am Griff der Pistole unter seinem Hemd.
Daniel sah zu, wie sein Onkel von einem Erdhaufen zum nächsten lief. Er blickte wieder die Straße auf und ab – niemand zu sehen – und inhalierte die feuchtwarme Luft, geschwängert vom Duft einer großen Magnolie im Hof, die Katrina überstanden hatte.
Trinity stand zwischen zwei großen Erdhaufen und zögerte. »Welcher von den beiden?«
»Ich glaube, das ist egal, Tim.«
»Ja, wahrscheinlich.« Trinity bückte sich und schöpfte etwas Erde in sein Einmachglas. »Meinst du, das reicht?«
»Mach doch einfach das Glas voll und nachher kann sie sich so viel nehmen, wie sie braucht.« Plötzlich war Scheinwerferlicht zu sehen und ein Wagen bog in die Straße ein.
Mist.
Daniel zog die Pistole aus seinem Hosenbund, hielt sie aber unter seinem Hemd verborgen. »Beeil dich.«
Trinity richtete sich auf und schraubte den Deckel auf das gefüllte Glas. »Ich hab’s.«
Der Wagen kam immer näher, war nur noch vier Häuser entfernt und wurde langsamer. Sie konnten nicht unbemerkt die Straße überqueren. Und von den Scheinwerfern geblendet, konnte Daniel nicht sehen, wie viele Personen in dem Wagen saßen.
Er gab Trinity ein Zeichen und sagte: »Geh in Deckung.« Dann holte er die Pistole hervor und sie duckten sich hinter den Container.
Er atmete tief durch, um seinen Herzschlag zu beruhigen. Dann
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