Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Millionen von der Witwe kassierte, und dann musste man selbst dran glauben. Mit der halben Million, die die Anwaltskanzlei kassierte, wurde man in Drapeaus Kundenkartei aufgenommen. Seine Loyalität erkaufte man sich damit nicht.
William Lamech gefiel der Gedanke zwar nicht, aber er hatte immerhin echte Profis geschickt und die waren tot.
Deshalb musste er jetzt das Gespenst anheuern.
70
Als Tim Trinity Mütze und Sonnenbrille abnahm, erkannte ihn die Priesterin sofort. Fassungslos schweigend hörte sie zu, wie er ihr von
seinem
Traum erzählte und wie er mit ihrer Ladenfront vor Augen aufgewacht war.
Er fasste zusammen: »Also Sie sind mir im Traum erschienen und Daniel ist Ihnen erschienen. Das sieht doch ganz so aus, als hätte Gott uns drei zusammengebracht. Aber warum nur?«
»Keine Ahnung«, sagte sie. »Ich muss die Sache erst mal verdauen.«
»Danny, was meinst du?«
Daniel grübelte immer noch darüber nach, ob wirklich Gott sie alle drei zusammengebracht hatte. Er selbst war Angelica im Traum erschienen. Nicht Trinity. Also war an Trinitys Behauptung, Daniels Platz sei an seiner Seite, wohl doch etwas dran.
Es war Bestimmung, dass er hier war.
Aber das beantwortete die Frage nicht.
Warum hier? Und warum diese Frau?
Er sah Angelica an und dann Trinity und schüttelte den Kopf. »Priesterin, kennen Sie jemanden namens Papa Legba?«
»Papa Legba ist der Hüter der Wegkreuzungen.«
»Ich meine nicht den Loa, sondern eine Person, die sich so nennt.«
»Natürlich nicht, das wäre sehr respektlos und …«, sie lächelte, »… niemand möchte Papa Legba erzürnen. Er kann sehr launisch sein, und ohne seine Hilfe gelingt nichts.«
Daniel wandte sich an Trinity. »Also ich bin auch ratlos. Ich weiß wirklich nicht, was wir hier eigentlich machen.«
Zuerst sagte niemand etwas. Dann merkte die Priesterin an: »Wenn Tim recht hat, dann hat die göttliche Kraft euch hergebracht. Hierher zu mir. Vielleicht soll er etwas empfangen, das ich ihm geben kann.«
»Ich glaube kaum, dass Tim hergekommen ist, um sich die Karten lesen zu lassen«, sagte Daniel.
Angelica sah ihn streng an. »Ja, ich verkaufe Tand an Touristen. Und in Kathedralen auf der ganzen Welt gibt’s Souvenirläden mit Christusfiguren aus Plastik. Wo ist denn da der Unterschied?«
»Da ist was dran, Sohn«, sagte Trinity.
»Entschuldigung«, sagte Daniel. »Ich wollte nicht respektlos erscheinen.«
»Sie waren’s aber«, sagte sie immer noch in scharfem Ton. »Der Souvenirladen kann einen falschen Eindruck erwecken, das verstehe ich ja, aber dies ist auch ein Ort der Andacht. Wir feiern jede Woche im Hinterhof eine Messe, und einmal im Monat gibt es eine größere Zeremonie im Haus meiner Schwester. Damit Sie es wissen, ich nehme meine Religion ernst.«
»Priesterin, ich glaube Ihnen ja. Friede, okay? Freunde?«
Sie lächelte und fasste sich wieder. »In Ordnung. Aber meine Freunde nennen mich Mama Anne.«
Trinity sagte: »Also sagen wir mal, Gott hat mich hergeschickt, weil Sie mir irgendetwas geben können, Mama Anne. Aber was? Wollen Sie über meinem Kopf ein Huhn schlachten? Ich habe überhaupt nichts dagegen, ich will nur wissen, worauf ich mich einlasse …«
Die Priesterin musste lachen. »Ich bin Vegetarierin. In meinem Ounfo – meiner Gemeinde – sind alle Opfergaben
mange sec
.«
»Trockenes Essen?«
»Ja, es bedeutet, wir bieten dem Loa Opfergaben ohne Blut dar.«
Daniel zeigte zum Altar. »Erzählen Sie das dem Hahn, der seinen Fuß verloren hat.« Es war nicht böse gemeint und sie nahm es ihm auch nicht übel.
»Wie alle Religionen sind auch wir nicht ganz frei von Heuchelei. Aber ich opfere bei unseren Ritualen keine Tiere.«
»Sie sagten, ›die göttliche Kraft‹ habe Tim zu Ihnen gebracht.« Daniel bemühte sich, seine Stimme möglichst neugierig und nicht aggressiv klingen zu lassen. »Warum nicht Gott?«
»Ich bin in Haiti zur Mambo, also zur Priesterin, ausgebildet worden. Die dortige Voodoo-Tradition ist frei von den neuheidnischen Einflüssen, die man hierzulande immer öfter im Voodoo antrifft. Wir glauben, dass Gott –
bon Dieu bon
– zu unnahbar ist und zu viel zu tun hat, um sich um unsere Alltagsprobleme zu kümmern. Deshalb gehe ich davon aus, dass nicht Gott selbst Sie hergeführt hat, sondern die Geister, die wir die Unsichtbaren nennen – die Loa und die Orisha –, denn sie haben direkten Einfluss auf unser tägliches Leben. Und sie werden uns auch helfen zu verstehen,
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