Die Trinity-Anomalie (German Edition)
dran.« Dann ging sie noch einmal ihre Karteikarten durch, sortierte sie neu und versuchte, den Kopf frei zu bekommen.
Nur ein ganz normales Interview
, sagte sie sich,
nichts Besonderes …
Shooter hielt eine Hand hoch und sagte: »Ruhe bitte, noch zehn Sekunden …«
Über ihre Ohrmuschel lauschte sie Anderson Coopers Anmoderation. Er sagte: »Es heißt nicht mehr: ›Wo ist Walter?‹Stattdessen stellt sich seit Sonntag die ganze Welt die Frage: ›Wo ist Reverend Tim Trinity?‹ Nun, Julia Rothman von der
New Orleans Time-Picayune
hat ihn gefunden, und er hat sich zu einem exklusiven Live-Interview für CNN bereit erklärt. Ich bin schon sehr gespannt, was er zu sagen hat. Sie haben das Wort, Julia.«
Okay, es geht los …
Shooter senkte die Hand und zeigte auf Julia.
»Danke, Anderson«, sagte sie, sah in das glänzende, schwarze Auge der Kamera und versuchte, sich zu beruhigen:
Nur ein ganz normales Interview, nichts Besonderes …
»Ich bin in einem Motel im Großraum New Orleans und bei mir habe ich, wie Sie schon sagten, den Mann, den alle Welt sucht.« Sie wandte sich an Trinity. »Reverend Trinity, danke, dass Sie gekommen sind.«
»Gern geschehen, Julia«, sagte Trinity. »Danke für die Einladung.«
Die ersten fünf Fragen hatte sie im Kopf. Dafür brauchte sie ihre Karten nicht. Sie begann: »Bitte erzählen Sie uns …«
»Einen Moment.« Trinity hob eine Hand. »Entschuldigen Sie die Unterbrechung. Ich möchte gern eine Erklärung abgeben.« Er blickte in die Kamera. »Am Donnerstag um dreizehn Uhr werde ich auf dem Jackson Square vor der Saint-Louis-Kathedrale zu finden sein. Dort werde ich der Welt eine Botschaft verkünden, die sich mir selbst erst kürzlich offenbart hat. Ich hoffe, Sie werden alle kommen. Vielen Dank.« Trinity lächelte Julia an und sagte: »Nochmals danke für die Einladung.« Dann stand er auf, machte sein Mikrofon ab und ging zur Tür hinaus. Pat folgte ihm eine Sekunde später.
Julia warf Daniel einen Blick zu, der nur völlig perplex zur Entschuldigung mit den Schultern zucken konnte.
Mit glühenden Wangen wandte sie sich wieder der Kamera zu.
76
Die Sendung war kaum eine Stunde vorbei, da versammelten sich auf dem Jackson Square schon Trinitys Anhänger. Nach zwei Stunden hatten sie alle Touristen verdrängt, und die Straßenhändler waren entsprechend sauer.
Berichten zufolge hatten die Pilger in Atlanta eine Spur der Zerstörung hinterlassen, und eine Wiederholung in New Orleans wollte man unbedingt vermeiden. Um Mitternacht schickte das Police Department auf Anweisung des Bürgermeisters Beamte zu Fuß und zu Pferd auf den Platz, um die Menge notfalls mit Gewalt auseinanderzutreiben. Was sie auch taten. Ein paar Hippies holten sich eine blutige Nase, einige Biker bekamen Pfefferspray ab, aber ernsthafte Verletzungen gab es keine.
Die Menge zog sich zurück in die Zeltstadt, die im Louis Armstrong Park entstanden war, und auch Lafayette Square und Lee Circle quollen bald von Menschen über.
Am nächsten Morgen um neun, achtundzwanzig Stunden, bevor Trinity seine Rede halten wollte, gab der Bürgermeister eine Presseerklärung ab: Reverend Tim Trinity habe keine Veranstaltungserlaubnis, und eine Versammlung im French Quarter oder in der Umgebung werde nicht zugelassen. Wenn Reverend Trinity eine Erlaubnis beantragen wolle, könne er das tun, aber sie könne nicht für den nächsten Tag ausgestellt werden; und außerdem sei es nicht garantiert, dass er überhaupt eine Genehmigung bekommt. Alle verfügbaren Beamten von New Orleans Police Departmentund Orleans Parish Sheriff’s Office mussten bis auf Weiteres Doppelschichten fahren.
Bei Trinitys Anhängern kam die Rede des Bürgermeisters gar nicht gut an, und die Szenen in den Parks sahen eher aus wie Protestaktionen als wie Pilgerversammlungen.
Aber es kamen immer mehr. Am späten Vormittag füllte sich langsam auch der Audubon Park. Um zwölf Uhr mittags kündigte das Bürgermeisteramt eine Pressekonferenz für fünfzehn Uhr an.
Die Pressekonferenz fand um sechzehn Uhr statt. Diesmal standen dem Bürgermeister der Polizeichef der Stadt, der Parish Sheriff, der Gouverneur und Senator Paul Guyot zur Seite. Der Senator sprach für die ganze Gruppe, während der Bürgermeister sich im Hintergrund hielt und dreinschaute, als hätte er eine Handvoll Nägel verschluckt.
Senator Guyot sagte, er freue sich, dass Bundesregierung, Staat und Kommune sich darauf geeinigt hatten, Reverend Trinitys
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