Die Trinity-Anomalie (German Edition)

aufrecht. Mit spiegelblanken Fenstern, frischer Farbe und neuem Stolz.
    Unterwegs wuchs die Gruppe immer mehr an. Die Leute kamen von ihren Veranden oder aus Wohnwagen, Kinder liefen aus den Gärten herbei, und als sie Fats Dominos gelbes Haus erreichten, waren es schon über zweihundert, die mitmarschierten.
    Immer noch nicht genug, aber es wurde langsam.
    Auf der St. Claude Avenue stießen noch mehr dazu, Jugendliche aus dem Kentucky Fried Chicken, Frauen vom Parkplatz des Family-Dollar-Ladens, Männer aus Frisörläden und Bars. Ladenbesitzerschauten aus ihren Türen, und die Leute in der Menge forderten sie auf, sich Reverend Tim anzuschließen, und so wurden Ladenschilder von GEÖFFNET auf GESCHLOSSEN gedreht und es kamen noch mehr dazu.
    Als sie an der Gasco-Tankstelle vorbeikamen, schloss sich ihnen eine Blaskapelle an und spielte
When the Saints Go Marching in
, und bald tanzte die Hälfte der Mitlaufenden, andere sangen; und die Stimmung wurde immer euphorischer.
    Nur bei Daniel nicht. Er blieb circa drei Meter hinter seinem Onkel, links von ihm, während Pat sich rechts hielt, und suchte die Menge nach dem Gesicht des Killers ab. Nur etwa ein Viertel der Leute waren weiß. Ein Vorteil, da er nach einem weißen Gesicht Ausschau hielt. Sein Blick wanderte ständig umher, tastete sich durch die Menschenmenge, an Türen, Fenstern und vorbeifahrenden Autos entlang, studierte weiße Gesichter und ignorierte die schwarzen. Aber die Menge wuchs immer schneller, und seine Aufgabe wurde zunehmend schwieriger, je näher das French Quarter kam.
    Sie überquerten die Reynes Street und vor ihnen lag nun, trotz des Hitzeflimmerns deutlich erkennbar, die Zugbrücke.
    Daniels Hörmuschel knisterte und Pat sagte: »Okay, wir nähern uns dem ersten Engpass und es riecht nach Bullen.«
    »Meinst du, die hatten Zeit genug, um uns zu entdecken?«
    »Ganz sicher, denn es kommen überhaupt keine Autos über die Brücke gefahren. Das ist nicht normal. Also halte dich bereit.«
    Auf dem Mittelstreifen stand ein großes Schild mit roten Lettern:
    ACHTUNG!
AB HIER FÜR FUSSGÄNGER GESPERRT
    Aber keiner blieb stehen. Daniel sah auf seine Uhr und drückte den Sprechknopf. »Wir liegen genau im Zeitplan.«
    Pat sagte: »Hoffentlich die anderen auch.«
    Als Daniel in den wolkenlosen, blauen Himmel spähte, kamen zwei graue Limousinen über die Brücke, stellten sich schräg davorund blockierten beide Fahrspuren. Special Agent Hillborn, sein Kollege Robertson und sechs weitere tough aussehende FBI-Leute stiegen aus und marschierten auf sie zu. Die Glocken begannen zu läuten und die Brücke wurde hochgezogen.
    Die Parade hielt an und die Blaskapelle verstummte. Als die FBI-Agenten näher kamen, drängte sich die Menge schützend um Trinity. Ein zorniger Schwarzer mit grauem Bart und Dreadlocks rief ihnen zu: »Ja,
jetzt
kommt ihr in den Lower Ninth Ward. Wo zum Teufel habt ihr gesteckt, als wir euch brauchten?«
    »Genau«, rief eine junge Frau aus der Menge. »Und warum ermittelt ihr nicht gegen die Geldsäcke, die sich die Kohle für die Dämme unter den Nagel gerissen haben, hä?«
    Scheiße.
Das passte jetzt aber gar nicht.
    Daniel löste sich aus der Menge, ging direkt auf Hillborn zu und sagte: »Hi.«
    »
Hi?
Ist das alles, was Sie zu sagen haben?«, sagte Hillborn. »
Hi?
Sie verdammter Schwachkopf, haben Sie wirklich geglaubt, Sie kommen damit durch?«
    »Sie werden ihn auf keinen Fall mitnehmen«, sagte Daniel.
    »Das werden Sie ja sehen.«
    Als das Geräusch der Rotorblätter näher kam und Hillborn nach oben sah, musste Daniel grinsen. Der Nachrichtenhubschrauber war da. »CNN. Die Welt schaut zu, Agent Hillborn.«
    Hillborn warf Daniel einen wütenden Blick zu und schüttelte den Kopf. »Ach, Sie alberner Popanz, Sie wollen wohl unbedingt, dass alles schlimmer wird, was?«
    »Bei allem Respekt, aber da irren Sie sich«, sagte Daniel. »Unsere Volksvertreter haben sich öffentlich für Trinitys Recht auf freie Meinungsäußerung ausgesprochen. Wollen Sie hier wirklich in Ihrem feinen Anzug als Regierungsscherge auftreten, ihm Handschellen anlegen und ihn in Ihr Auto bugsieren? Und dann? Verschwindet er dann auf Nimmerwiedersehen? So was macht die Geheimpolizei in Ländern wie dem Iran.« Er blickte zum Hubschrauber hoch und fügte hinzu: »Im Fernsehen kommt das sicher ganz toll.«
    Daniel verstummte und beobachtete, wie Hillborn seine Alternativen abwog. Nach einer Ewigkeit sagte Hillborn: »Warten Sie hier, ich bin sofort