Die Trinity-Anomalie (German Edition)
haben mehr Menschen Chancen verpasst, Vermögen vergeudet, Beziehungen zerstört und ihr Leben gelassen als aus irgendeinem anderen Grund.
Zweifel und Zaudern
sind des Teufels liebste Sabotagemittel.«
Trinity schlug mit seiner Bibel in die Luft. »Geh hinweg, Satan! Du kannst mich nicht daran hindern, die Wahrheit zu sagen, denn ich bin gesalbt mit dem Blut Jesu Christi!« Dann erstarrte er mitten in einer Schlagbewegung.
Er blieb viel zu lange so starr stehen, und ein besorgtes Raunen ging durch die Menge.
Sein Timing ist normalerweise perfekt,
dachte Daniel,
warum tut er das?
Trinitys ganzer Körper erschauerte einmal, dann erstarrte er wieder, ein Zucken riss ihn nach links und er fiel der Länge nach auf die Bühne. Er sprang wieder auf, die Bibel in der Hand, aber die Zettel mit den Fürbittwünschen waren zu seinen Füßen verstreut.
Dann kamen die Zungen. Er begann, die seltsamsten Töne auszustoßen, und wankte zuckend über die Bühne.
Als er es auf dem Bildschirm gesehen hatte, war Daniel überzeugt gewesen, dass Trinity nur wieder eine neue Show abzog. Aber in natura sah es ganz anders aus. Eine solche Darbietung würde sich sein Onkel niemals ausdenken. Es wirkte einfach zu …
echt.
Trinity war immer lässig elegant, aber das hier war ganz anders. Nicht einfach unbeholfen, sondern regelrecht scheußlich.
Irgendetwas stimmte da einfach nicht
. Ganz und gar nicht.
Daniel konnte die Zuckungen und das Kauderwelsch nicht mehr ertragen. Er sprang von seinem Sitz auf und eilte zum Ausgang. Seine Haut kribbelte und er dachte:
Das muss Schauspielerei sein. Es ist einfach unmöglich …
Er holte seinen Fotoapparat aus dem Auto und wartete, bis die Türen aufgingen und Trinitys Schäfchen auf den sonnenüberfluteten Parkplatz hinausströmten. Sie plapperten gut gelaunt davon, was für ein toller Gottesdienst es doch gewesen sei und wie sie die Gegenwart Gottes gespürt hätten, redeten von hundertfacher Vergeltung und ihrem unmittelbar bevorstehenden Wohlstand.
Daniel wollte sie bei den Schultern packen, jeden Einzelnen, und sagen:
Merkt ihr denn nichts? Das ist ein Schwindler. Er hält euch zum Narren. Ihr solltet lieber eure Schulden abbezahlen und was lernen, damit ihr bessere Jobs findet, oder Geld sparen, damit eure Kinder studieren können und sich nicht so abstrampeln müssen wie ihr. Gebt euer Geld doch nicht so einem Gauner.
Aber was würde das schon nutzen? All das wäre mit richtiger Arbeit und wirklichen Opfern verbunden. Trinity bot ihnen einen einfachen Ausweg. Sie konnten sich einreden, dass sie etwas taten, um ihre Lage zu verbessern, ohne wirklich Verantwortung für ihr Leben übernehmen zu müssen. Sie mussten ihm einfach nur Geld hinterherwerfen.
Daniel konnte diesen Leuten nicht helfen. Aber er konnte den Schwindler zur Strecke bringen. In der rechten Hand hielt er die Kamera mit den digitalen Überwachungsfotos von Trinitys Anwesen in Buckhead. Sie würden die Wahrheit über diesen »Mann Gottes« ans Licht bringen.
Endlich.
Er wartete, bis sich die Menge gelichtet hatte, und ging wieder hinein. Im menschenleeren Gang hielt ihn ein massiger Sicherheitsmann auf.
»Tut mir leid, Sir, aber der Gottesdienst ist für heute vorbei. Sie müssen morgen wiederkommen.«
»Ich muss mit Reverend Trinity reden«, sagte Daniel.
Der Wachmann lächelte nachsichtig. »Viele Leute müssen mit dem Reverend reden. Wenn Sie ein Fürbittformular ausfüllen, gebe ich es weiter.«
»Sagen Sie ihm einfach, Daniel Byrne ist da. Er wird mich schon empfangen.«
19
Der Sicherheitsmann kam aus der Garderobe, nickte höflich und ging davon. Daniel starrte auf die Tür und holte tief Luft. Er griff nach dem Türknopf, öffnete die Tür und ging hinein.
Tim Trinity saß vor einem Spiegel mit kleinen, runden Glühbirnen im Rahmen und schminkte sich ab. Im Spiegel trafen sich ihre Blicke. Trinity wischte noch einmal mit einem Wattebausch über sein Kinn und warf ihn auf den Schminktisch. Er schniefte laut, als wäre er erkältet.
»Der verlorene Sohn kehrt zurück. Dass ich das noch erleben darf.« Trinity zwang sich zu einem Lächeln, konnte aber seinen Schmerz nicht verbergen.
Als Daniel mit dreizehn seinem Onkel weggelaufen war, hatte er sich fest vorgenommen, nie wieder mit ihm zu reden. Aber jetzt, zwei Jahrzehnte später, musste er sich alle Mühe geben, nicht einfach draufloszureden. So vieles war unausgesprochen geblieben und hatte all die Jahre schwer auf ihm gelastet. Es drängte ihn, sich
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