Die Trinity-Anomalie (German Edition)
sich gemerkt.
Das Telefon auf dem Schreibtisch trillerte leise und er ging dran.
»Ich bin’s, Mr Lamech.«
»Schieß los.«
»Der Priester, den wir überwachen sollten, der ist hier. Aber …«
»Aber was?«
»Na ja, der sieht gar nicht wie ein Priester aus. Ich meine, das ist ein junger Typ. Sieht gar nicht so uncool aus und trägt auch keine Priesterklamotten. Aber der Name stimmt: Daniel Byrne.«
»Du bist wohl nicht katholisch, oder?«
»Nein, Baptist.«
»Nun, die sehen eben nicht alle aus wie Max von Sydow.«
»Äh … ja, Sir, da haben Sie wohl recht. Noch etwas, ist vielleicht nicht wichtig …«
»Ja?«
»Er ist der Neffe von diesem Prediger.«
Der Neffe …
Lamech rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. »Interessant. Wo ist er jetzt?«
»Ich habe ihn zu Trinitys Garderobe gebracht und sie haben sich circa eine Stunde unterhalten. Dann ist er gegangen. Ich habe sein Kennzeichen.«
»Okay, gute Arbeit. Halt Augen und Ohren offen und ruf mich immer an, wenn dir was Wichtiges auffällt.«
»Ja, Sir. Und, äh, Mr Lamech?«
»Ja?«
»Also, wissen Sie, ich bin seit acht Jahren bei der Firma. Ich bin zuverlässig, loyal, kompetent und …«
Lamech lächelte in sich hinein. »Ehrgeizig.«
»Ja, Sir, ehrgeizig. Sie sollen nur wissen, ich kann noch mehr. Also wenn Sie noch jemanden für andere Jobs brauchen, denken Sie an mich.«
»Okay, wir haben zwar alle unsere Aufgaben, aber manchmal ergeben sich auch Aufstiegschancen, und wer nicht fragt, bekommt auch nichts.«
»Das meinte ich, Sir. Ich mache meine Arbeit gern, aber wer nicht fragt, bekommt auch nichts.«
William Lamech respektierte den Ehrgeiz des jungen Mannes. »In Ordnung. Gut, dass ich Bescheid weiß. Ich kann nichts versprechen, aber wenn sich was ergibt, denke ich an dich.«
Er legte auf und lehnte sich zurück.
Der Neffe …
Was für ein Zufall. Und warum schickte der Vatikan ausgerechnet einen nahen Verwandten? Das sah nach einem gewaltigen Interessenskonflikt aus.
Der Computer auf seinem Schreibtisch machte
Ping
. Er setzte seine Lesebrille auf, öffnete die neue E-Mail und las die entschlüsselte Niederschrift von Trinitys letzter Zungenrede.
»Heilige Scheiße«, sagte er, griff zum Telefon und gab drei Ziffern ein. »Steve? Lamech hier. Such dir was zu schreiben. Nimm für die Gotham Stakes keine der folgenden Wetten an: Sieg fürMr Smitten und Platz für Executive Council oder Sweet Revenge, verstanden? Mir ist egal, wie die Quote ist, du nimmst diese Wetten
nicht
an. Gut.« Dann legte er auf.
Jetzt sagte der Prediger also auch noch Pferderennen voraus. Und es waren nur noch zwei Monate bis zum Kentucky Derby.
Verdammt noch mal!
Bald hatten sie keine Zeit mehr, übervorsichtig zu sein. Wenn die Voraussage für die Gotham Stakes wahr wurde und sie bis dahin nichts gegen den Prediger in der Hand hatten, mussten sie Taten sprechen lassen.
Er griff wieder zum Telefon.
21
Der Raum war weiß. Decke, Wände, Boden … alles weiß. Keine Möbel. Nur ein weißer Raum ohne Fenster, ohne Tür. Er stand zwar nicht in einer Trockeneiswolke vor der Himmelspforte, aber eines stand fest: Daniel war tot.
Es war noch ein anderer Mann da. Er war auf markige Weise attraktiv, trug eine schwarze Hose und über einem weißen Muskelshirt einen Priesterkragen. Ein Geistlicher mit richtig dicken Muskeln.
Er sagte: »Hi, Daniel, ich bin der Heilige Sebastian«, und streckte seine Hand aus. Gelassen. Freundlich.
Daniel schüttelte dem Heilgen Sebastian die Hand. »Ich bin tot«, sagte er.
»Sag bloß, Sherlock.« Der Heilige zwinkerte Daniel zu. »Nicht, was du erwartet hast, was?«
»Nein.«
Sebastian zuckte mit den Schultern. »Petrus hat Grippe. Ich vertrete ihn nur.«
Daniel war es schwindelig. Er zwang sich zu einem Nicken.
Der Heilige klopfte ihm auf die Schulter. »Das war nur ein Scherz. Sei doch nicht so verkrampft. Hol tief Luft.«
Daniel keuchte und atmete mühsam.
»Gut, einatmen, ausatmen … tief Luft holen, langsamer … sehr gut. Jetzt entspann dich erst mal, ich erkläre dir ja gleich alles. Also, ich bin aus zwei Gründen hier. Zum einen, um dich zu beruhigen und dir die Regeln zu erklären.«
Daniel wurde sofort ruhiger und dachte:
Unmöglich
.
»Ich weiß, was du denkst«, sagte der Heilige. »Du denkst:
Das sind doch schon zwei Punkte
. Und du hast recht. Aber dich zu beruhigen, zählt nicht. Wir wurden nur geschickt, um die Regeln zu erklären. Aber wenn wir dich nicht zuerst beruhigen,
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