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Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Titel: Die Trinity-Anomalie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Chercover
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Trinity blätterte in seiner Bibel. »Lukas 6,38 – Jesus sagte: ›Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes – 
überfließendes!
 – Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen.‹
Amen
 … 
AMEN

    Eine Blondine in weißem Hosenanzug betrat von hinten die Bühne. Sie sah aus, als wäre sie vor zwanzig Jahren mal Zweite in einem Schönheitswettbewerb geworden. Sie übergab Trinity ein paar Blätter Papier und schenkte dem Publikum ein strahlendes Lächeln.
    »Danke, Liz«, sagte er und sie verließ die Bühne wieder. »Unsere Telefone hinter der Bühne stehen nicht still und unsere Telefonseelsorger nehmen eure Fürbittwünsche entgegen. Also bitte wählt die Nummer auf dem Bildschirm. Unsere Zeit reicht leider nur, einige wenige live vorzutragen, aber
all
eure Fürbittwünsche werden nach der Sendung zu meinem persönlichen Altar gebracht und ich werde jedem Einzelnen ein Gebet widmen.« Er blätterte die Papierbögen durch, überflog jeden kurz und nickte. Dann legte er sie auf die Seiten seiner Bibel und schloss die Augen.
    »Herr, wir wissen, du hörst unsere Gebete und dass, wer im Glauben betet, erhört werden wird. Also bitte ich dich jetzt,
im Namen Jesu
, im Leben von Heather aus Virginia Beach ein finanzielles Wunder zu tun, denn sie hat soeben ihre Arbeitsstelle verloren. Beschere unserer Schwester Heather eine neue, bessere Stelle und befreie sie vom Joch der Armut. Und wir bitten dich, schaue herab auf Sarah aus Minneapolis und vernichte ihren Brustkrebs, lass ihren Tumor veröden …«
    Während Trinity weitere Namen und unglückliche Schicksale herunterrasselte, schaute Daniel in die Menge. Die meisten waren entweder schwarz oder weiß, ungefähr zu gleichen Teilen, etwa 20 Prozent der Zuschauer waren Latinos und 10 Prozent Asiaten. Er untersuchte ein Gesicht nach dem anderen nach Anzeichen von Skepsis, aber ohne Erfolg. Diese Menschen schluckten tatsächlich den ganzen Mist, den Trinity ihnen auftischte. Sie waren sogar ganz verrückt danach und nach Trinity. Sie liebten ihn dafür, dass er ihnen das Geld aus der Tasche zog.
    Manches ändert sich einfach nie.
Daniel wollte nicht an seine Kindheit zurückdenken, an die Kirchenzelte voller bettelarmer Farmer und arbeitsloser Fabrikarbeiter, die sich nicht einmal Deodorant leisten konnten, aber irgendwie das Geld zusammenkratzten, um Trinitys riesige Einweckgläser bis zum Überlaufen zu füllen.
    Trinity unterbrach sein Gebet mitten im Satz. »Moment mal!«, sagte er und öffnete die Augen, um direkt in die Kamera zu schauen. »Gott hat mir soeben etwas gezeigt. Einige von euch Zuschauern daheim zaudern. Streitet es nicht ab, denn ich habe es gesehen. Meine Worte haben euren Glauben geweckt, und ihr wollt als Zeichen eures Glaubens tausend Dollar an unsere Kirche übersenden. Aber trotzdem fragt ihr euch: ›Warum sollen wir unseren Samen auf dem Acker dieses Fernsehpredigers säen?‹ Und ich sage euch, es ist der
Teufel
, der euren Glauben untergräbt und euch um euer rechtmäßiges Erbe in Christus bringen will!« Trinity blätterte ein paar Seiten weiter und versetzte der Bibel einen mächtigen Schlag. »In seinem ersten Brief an die Korinther spricht der Apostel Paulus über uns Prediger: ›Wenn wir
euch
zugute Geistlichessäen, ist es dann zu viel, wenn wir Leibliches von
euch
ernten? … So hat auch der Herr befohlen, dass, die das Evangelium verkündigen, sich vom Evangelium nähren sollen.‹ Das ist das Wort
Gottes
! So steht es geschrieben, im Namen Jesu!«
    Die Zuschauer riefen Amen, und der Meisterprediger legte einen seitlichen Shuffle hin, der James Brown alle Ehre gemacht hätte.
    »Versteht doch, Gott hat ein prächtiges Festmahl bereitet und Jesus hat euch einen Platz am besten Tisch reserviert.« Er klopfte sich auf den Bauch und schüttelte den Kopf. »Aber ihr sagt: ›Danke, Herr, aber wir haben keinen Hunger. Wir haben schon gegessen, und zwar reichlich. Vielleicht ein andermal.‹« Die Menge lachte mit ihm, bis sein Lächeln verschwand und er eine todernste Miene machte. »Ach du liebe Güte, ihr habt also schon gegessen, und zwar reichlich. Das ist der
Teufel
, der da aus euch spricht! Ihr müsst verstehen, der Teufel hat viele Tricks auf Lager, meine Freunde, und ich verrate euch ein kleines Geheimnis: Seine beiden Lieblingstricks sind
Zweifel und Zaudern
. Allein wegen dieses zweifachen Übels

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