Die Trinity-Anomalie (German Edition)
die Arme und wandte sich an alle Anwesenden. »Meine Damen und Herren, mein Neffe ist etwas aufgeregt. Wir brauchen ein bisschen Zeit. Lassen Sie uns bitte allein.«
»Ja, Sir«, sagte Samson, der in der Tür stand. Alle gingen ruhig der Reihe nach hinaus, gefolgt von Samson, der die Tür hinter sich schloss.
Trinity ging zur Bar und schaltete den Fernseher aus. Er schenkte Blanton’s in zwei Whiskeygläser, warf Eis aus dem Gefrierfach hinein und reichte Daniel ein Glas. Er sagte leise: »Du hast dein Leben nicht für mich im Klo runtergespült, Sohn. Du bist auf der Suche nach der Wahrheit. Du hast dein Leben nicht weggeworfen. Ach, verdammt, du bist einfach aus vollkommen falschen Gründen Priester geworden …«
»Hör auf«, sagte Daniel. »Hör bloß auf. Du bist wirklich der letzte Mensch auf der Welt, der mich analysieren darf. Und da wir gerade dabei sind, hör bitte auf, mich Sohn zu nennen.«
»Autsch«, flüsterte Trinity. Er kippte seinen Bourbon hinunter, nickte traurig vor sich hin und sprach in das Glas mit den Eiswürfeln. »Okay, als du reingekommen bist, habe ich ziemlich dick aufgetragen. Das gebe ich zu. Du solltest nur sehen, wie viele Menschen an mich glauben. Glauben, dass Gott durch mich wirkt.« Er sah Daniel direkt in die Augen. »Ich weiß, du hältst mich für einen Schwindler, und das bin ich auch … oder war ich. Aber jetzt ist alles anders. Jetzt glaube ich. Ich behaupte nicht, ich sei errettet worden oder wiedergeboren oder irgend so einen Mist. Nur weiß ich jetzt, dass es einen Gott gibt. Einen, der gut ist. Und ich habe keine Ahnung, warum, aber Er hat etwas mit mir vor. Etwas Bedeutendes.«
»Ach ja? Es ist also Gottes Wille, dass du ›den großen Wurf‹ machst? Dass du Millionen kassierst? Entschuldige mal, aber so einen Schwachsinn habe ich selten gehört.«
»Nein, nein, nein, das ist doch alles nur Theater. Du siehst den Zweck dahinter nicht. Und das Geld ist nur eine Begleiterscheinung, ehrlich.«
»Was ist denn dann der Zweck?«
»Ich weiß nicht.« Trinity legte seine Hand auf Daniels Schulter, genau wie bei Judas‹ Beerdigung. »Ich weiß nur eins: Er will, dass du hier bei mir bist. Ich hatte letzte Nacht einen Traum. Gott hat zu mir gesagt, Er will dich an meiner Seite sehen.«
»Jetzt spricht Er schon im Traum zu dir?«
»Ich glaube, letzte Nacht ja. Vielleicht will Er … Vielleicht sollst du darauf achten, dass ich nicht vom rechten Weg abkomme.« Darüber musste er schmunzeln. »Du weißt doch am besten, dass das nicht einfach für mich wird. Ich könnte deine Hilfe wirklich gebrauchen. Und deinen Rat.«
»Mein erster Rat wäre: Hör auf, dich wie ein Anreißer auf dem Jahrmarkt aufzuführen.«
Trinity zuckte mit den Schultern. »Nicht so leicht, meine alten Gewohnheiten nach neununddreißig Jahren einfach aufzugeben. Aber wie gesagt, das ist alles nur Theater. Ich brauche deinen Rat, was das Spirituelle angeht. Mein Gott, US-Senatoren rufen mich an, um
mich
um Rat zu fragen. Morgen stehe ich vor der Kamera und soll zur
ganzen Welt
sprechen …«, er ließ das Eis in seinem Glas klirren, »… und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich brauche dich, Danny. Ich will es mit dir besprechen.«
Daniel stellte sein unberührtes Glas auf die Bar. »Ich weiß nicht, Tim.« Er ging Richtung Tür. »Ich gehe spazieren und esse irgendwo einen Chili Dog.«
»Aber du kommst doch zurück, oder?« Die Angst in seiner Stimme war deutlich zu hören. Und sie war echt.
Daniel nickte. »Um dir meine Entscheidung mitzuteilen, so oder so.«
40
»Wenn dann jemand zu euch sagt: ›Seht, hier ist der Messias!‹, oder: ›Da ist er!‹, so glaubt es nicht! Denn es wird mancher falsche Messias und mancher falsche Prophet auftreten und sie werden große Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, auch die Auserwählten irrezuführen. Denkt daran: Ich habe es euch vorausgesagt.«
Matthäus, 24,23–25
41
Daniel saß auf einem roten Plastikstuhl im Varsity Diner und las seine Bibel. Auf dem weißen Resopaltisch ein Hotdog mit extra viel Chili, ein großes Glas Orangenlimonade und eine Apfeltasche … alles unberührt.
»Hallo, junger Mann, kommst du oft hierher?«
Julia.
Daniel sah hoch. »Wie hast du mich gefunden?«
Sie setzte sich und ließ eine riesige Handtasche auf den Boden fallen. »Dein Onkel hat angerufen.«
»Aber woher wusste er …« Dann lächelte er unwillkürlich. »Der Chili Dog.«
»Der Chili Dog?«
»Als ich klein war, haben wir oft
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