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Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Titel: Die Trinity-Anomalie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Chercover
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sicher sein, dass du fair bist.«
    »Danke.« Ihr Lächeln war wie eine Umarmung. »Wie verkraftet er das alles? Er wirkte am Telefon ein bisschen durch den Wind.«
    »Ich weiß nicht, was mit ihm los ist«, sagte Daniel. »Aber was ich sehe, gefällt mir gar nicht.« Er räusperte sich. »Ich bin gegen die Order meines Vorgesetzten hergekommen, habe Brücken hinter mir abgebrochen, und was erwartet mich hier? Die ganze Welt ist übergeschnappt, eine Million Leute stehen vor Trinitys Tür, und er nutzt die Sache nur aus und scheffelt Geld ohne Ende und brüstet sich auch noch damit. Er
sagt
, er würde jetzt an Gott glauben, und es klingt auch überzeugend, aber seine Handlungen sprechen eine andere Sprache. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.«
    »Menschen ändern sich nicht einfach über Nacht. Er sagt, er will sich ändern, und vielleicht stimmt das auch. Vielleicht ist es aber auch wieder nur ein Schwindel. Mit der Enttäuschung könntest du sicher umgehen – es wäre ja nicht das erste Mal –, aber was ist, wenn du dich von ihm abwendest und es stimmt doch?«
    Sie gingen weiter die Cherry Street entlang und bogen dann rechts auf den roten Ziegelweg Richtung Tech Tower ab. Junge Männer und Frauen saßen auf dem Rasen im Schatten alter Eichen, allein oder in Gruppen, mit Rucksäcken, Laptops und Handys, und lernten, scherzten und flirteten.
    Ein anderes Leben. Eine Jugend, die er auch hätte haben können, hätte er sich nur anders entschieden.
    »Da ist eine Bank«, sagte Julia. »Setzen wir uns.«
    Er küsste sie. Packte sie einfach bei den Schultern und küsste sie fest auf den Mund. Zuerst wurde sie ganz steif, doch dann entspannte sie sich, ihre Münder öffneten sich und er zog sie näher, drückte sie fest an sich.
    Er war im Paradies.
    Und das Paradies schmeckte nach Chili.
    Julia riss ihren Kopf weg. »Hör auf!« Sie schubste ihn weg, ziemlich feste. »Was zum Teufel soll das?«
    »Ich … äh, ich … Du hast meinen Kuss doch erwidert.« Eine lahme Entschuldigung, aber was Besseres fiel ihm nicht ein.
    »Aber
ich
bin kein Priester! Ich darf das.« Mit dem kleinen Finger strich sie sich ein paar lange Haarsträhnen aus den Augen und streifte sie hinters Ohr. »Ich will nicht, dass du meinetwegen dein Gelübde brichst oder das Priesteramt aufgibst oder was zum Teufel du vorhast.«
    »Ja, nur, die Sache ist die … Ich glaube, das Priesteramt habe ich schon niedergelegt.«
    »Was?«
    Beschwichtigend hielt er eine Hand hoch. »Nicht deinetwegen. Zumindest nicht hauptsächlich. Nun, es ist kompliziert.« Daniel entfuhr ein reuiges, leises Lachen. »Das sage ich in letzter Zeit öfter.« Sein Gesicht wurde heiß und seine Kehle schnürte sich zu. Seine Augen begannen, feucht zu werden, aber er konnte die Tränen unterdrücken. Er seufzte lange.
    »Rede mit mir, Danny.«
    »Ach Gott, ich bin … verwirrt. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.«
    »Irgendwo. Fang einfach an.«
    »Weißt du, was ich mir wünsche? Ich wünschte, wir könnten die Zeit anhalten, nur du und ich, nur einen Tag lang … aus unserem Leben heraustreten, fort von diesem ganzen Wahnsinn, und einen ganzen Tag nur reden, weißt du, wie früher.«
    »Das ist lange her«, sagte sie leise, mehr zu sich selbst. Sie nahm seine Hände. »Ich habe dich wirklich gern, aber … falls du dich entscheidest, das Priesterdasein aufzugeben, dann darf es nicht meinetwegen sein. ›Nicht hauptsächlich‹ reicht nicht. Es darf gar nichts mit mir zu tun haben.«
    »Okay, aber du hast mich doch gern.« Das war alles, was er gehört hatte.
    »Ja, als
Freund
.« Julia sog scharf die Luft ein. »Danny, zwischen uns ist schon lange Schluss. Und daran wird sich auch nichts ändern, selbst wenn du dein Priesteramt niederlegst. Mach dir da bitte keine Illusionen.«
    Sie drehte sich um und ging weg. Ohne sich noch einmal umzusehen.

42
    Daniel saß allein ganz oben auf dem Stone Mountain und fragte sich, wie die Welt sich nur so schnell hatte ändern können. Er saß lange da und sah zu, wie die Sonne den Himmel in Feuer tauchte. In der Ferne die Skyline von Atlanta, monolithische Wolkenkratzer als Relikte einer untergegangenen Zivilisation.
    Wie hatte er nur so dumm sein können? All die kleinen Zeichen – das verstohlene Lächeln in ihren Augen, ihre Hand, die auf seiner ruhte, die beiläufigen Bemerkungen –, hatte er sie alle falsch interpretiert, weil er seine Gefühle auf sie projiziert hatte?
    Unmöglich. Nicht nach diesem Kuss.

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