Die Trinity Verschwörung
sich direkt an ihn, in einer privaten Sprache, die nur er verstand. Dizzy Mouse. Was konnte sie damit meinen? Kam vielleicht noch etwas nach? Er wartete dreißig Sekunden auf weitere Nachrichten, aber das Handy gab keinen Ton mehr von sich. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als es auszuschalten, während er sich von der Bank erhob und mit schnellen Schritten den Park verließ.
Kuckucksuhr. Ein Hinweis auf die Schweiz. Sollte er in den westlichen Teil der Alpen hinüberwechseln? Oder war es der Name eines Wiener Lokals? Nein, dann hätte sie es nicht beim Namen genannt. Gäbe es ein Lokal dieses Namens, wäre es der erste Ort, wo sie auf ihn warten würden.
Schließlich, so leicht wie ein Atemzug, fiel ihm die Antwort ein. Sie bezog sich auf den Dritten Mann. Sie hatten neulich beim Abendessen über den Film geredet. Was sagte Orson Welles in der Szene im Prater?
» In den dreißig Jahren unter den Borgia hat es nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blutvergießen, aber es gab auch Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe, fünfhundert Jahre Demokratie und Frieden – und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr.«
Gaddis grinste, bewunderte ihre Fantasie. Sie erbot dem wienerischsten aller Filme die Ehre. Sie schickte Gaddis zum Riesenrad.
45
Aber warum Dizzy Mouse?
Gaddis fuhr mit der U-Bahn-Linie 1, keimfrei und aus Kunststoff, Richtung Nordosten zur Station Praterstern. Die zweite Hälfte von Tanyas Nachricht verstand er nicht. Er versuchte, die Buchstaben zu mischen, zu Anagrammen umzudeuten, herauszubekommen, ob » Dizzy« und » Mouse« Spitznamen sein könnten, doch ohne Erfolg. Ihm blieb nur der Schluss, dass dieses Codewort erst zu einem späteren Zeitpunkt des Morgens eine Rolle spielen würde.
Es war Viertel vor sieben, als der U-Bahn-Zug in die Station einfuhr. Gaddis fuhr mit der Rolltreppe hinauf in den Ladenbereich, der noch fast menschenleer in der klimatisierten Kühle des Sonntagmorgens lag. Er kam an einem mit Rollläden verschlossenen Zeitungsladen und einem Café vorbei, in dem nur ein einziger Gast saß; jeden seiner Schritte überwachten Videokameras. Durch automatische Türen führte der Weg nach draußen auf einen großen Vorplatz. In ungefähr dreihundert Metern Entfernung sah er das Riesenrad, die roten Kabinen standen still über den Wipfeln einer Reihe Kastanien, die alten strahlenförmigen Speichen blieben vor dem blassen Morgenhimmel fast unsichtbar. Er beschleunigte den Schritt und überquerte eine breite Straße. Rechter Hand war ein breiter, gepflegter Park, auf dem Picknicktische standen, zur Linken eine Shell-Tankstelle, um die herum Autos geparkt waren. Zu Füßen eines Baums kauerten ein paar Penner, die Gaddis anstarrten, als er vorüberging. Er kam an einer Reihe Eisbuden vorbei, und kurz darauf führte der Weg unter einer niedrigen Brücke hindurch und auf einen verlassenen Platz, um den herum Häuserattrappen mit klassizistischen Fassaden standen. Es handelte sich zweifellos um den Eingang zu einem Vergnügungspark, einem Mini-Disneyland, überragt von Achterbahnen, Rutschen und Autoscootern. Nur ein paar Penner und Straßenfeger waren zu sehen, als Gaddis auf das Riesenrad zuging und sich fragte, ob er überhaupt am richtigen Ort war.
Seine Zweifel waren schnell beseitigt, denn keine dreißig Meter entfernt sah er den riesigen Kopf einer Katzenkarikatur, ein gefletschtes Gebiss unter einem Paar großer gelb glühender Augen. Achterbahngleise im Kinderformat führten mitten in ihr offenes Maul. Über der Katze stand in großen Neonbuchstaben: » DIZZY MOUSE «.
» Sam?«
Gaddis drehte sich ruckartig um und sah eine stämmige, matronenhafte Frau in Bluejeans und cremefarbenem Pullover aus dem Schatten unterhalb des Riesenrades treten. Sie hatte schwarz gefärbtes Haar und ein blasses rundes Gesicht. Nur langsam aus seiner Verwunderung erwachend, griff er nach der ihm entgegengestreckten Hand.
» Ja, ich bin Sam.« Er staunte über das Tempo von Tanyas Arbeit und noch mehr darüber, dass ihn tatsächlich jemand an so einem Ort gefunden hatte.
» Eine Freundin von Ihnen schickt mich. Sie haben sie als Josephine Warner kennengelernt. Ihr wirklicher Name ist Tanya Acocella. Reicht das als Ausweis meiner Identität?«
» Ja, vollkommen.« Gaddis schaute hoch zum Riesenrad und rechnete beinahe damit, dort eine Ansammlung lächelnder Zuschauer zu erblicken, die ihre Unterhaltung beobachteten.
» Ich heiße Eva.«
»
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