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Die Trinity Verschwörung

Die Trinity Verschwörung

Titel: Die Trinity Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Cumming
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Verstanden.«

44
    Gaddis legte den Hörer auf. Es war fast zwei Uhr früh. Er stand auf einer verlassenen Wiener Straße, die er nicht kannte, gesucht von der österreichischen Polizei, verfolgt vom russischen Geheimdienst, abhängig von einer englischen Spionin, die ihn über ihre Identität permanent belogen hatte. So weit war es mit seinem Leben gekommen. Er fühlte sich, als wäre er seit Wochen auf der Flucht. Er dachte darüber nach, was er um dieselbe Zeit vor einem Jahr getan hatte, und erinnerte sich, in Spanien gewesen zu sein, in einem kleinen Küstendorf nördlich von Barcelona. Er hatte versucht, Min das Schwimmen beizubringen. Bei dem Gedanken huschte ein Lächeln über sein Gesicht, aber seine zerriebenen Nerven vermochte die Erinnerung nicht zu beruhigen.
    Was sollte er jetzt tun? Sich von der Telefonzelle entfernen, eine Nebenstraße entlanggehen? Gaddis nahm sich ganz fest vor, keine Fehler zu machen. Für Panik und Selbstmitleid fehlte es ihm an Zeit. Die Geschichte war zu einem Überlebensspiel geworden, das war die Herausforderung, der er gegenüberstand. Es gehörte kein großer Mut dazu, zu dieser Einsicht zu kommen, es blieb ihm schlicht und einfach nichts anderes übrig.
    Es fing an zu regnen. Ein Taxi zischte heran, Gaddis hielt es auf und wies den Fahrer an, ihn zur UNO -City auf der nördlichen Donauseite zu fahren. Diese Adresse hätte er schon dem ersten Fahrer geben sollen, eines der prominentesten Wiener Bauwerke, in dem die Vereinten Nationen und die Internationale Atomenergie-Organisation untergebracht waren. Die Fahrt würde mindestens eine Viertelstunde Zeit in Anspruch nehmen und ihm Gelegenheit geben, auf der Rückbank eines Autos, unbeobachtet von bohrenden Blicken, seine Optionen abzuwägen. Die Russen mussten entweder ihn oder Wilkinson im Kleinen Café geortet haben. Gaddis wusste auch, dass Wilkinsons Tod beschlossene Sache gewesen war. Aber warum war er verschont worden? Hatte der Mörder gewartet, bis Gaddis zur Toilette gegangen war? Oder hatte er sie beide töten wollen und Wilkinson allein am Tisch vorgefunden? Das würde er wohl nie erfahren.
    Es regnete inzwischen stärker. Kurz vor einer Brücke ging der Fahrer vom Gas und hielt an einer roten Ampel an. Dann fuhr er mit hoher Geschwindigkeit über die Donau. Am östlichen Ufer sah Gaddis vertäute Flußdampfer, weit dahinter in der Ferne die gedämpften Lichter des Praters. Was Tanya wohl mit den Informationen anfing, die sie von ihm bekommen hatte? Ging sie damit zu Brennan, der ihr zweifellos befehlen würde, Gaddis seinem Schicksal zu überlassen? Oder hielt sie ihr Versprechen und fand einen Weg, ihn aus Wien herauszubringen? Ihm fiel das Wort wieder ein, das sie am Telefon benutzt hatte. Exfiltration. Als wäre er ein politischer Renegat des Kalten Krieges, ein Dissident oder Agent provocateur, den man heimlich über die Grenze schaffen musste. Kurz kam ihm der Gedanke, dass Tanya vielleicht überreagierte und er den Fahrer anweisen sollte, zu wenden und ihn zurück zur Goldenen Spinne zu bringen. Er würde einfach seinen Reisepass und seine Sachen einpacken und Wien mit der ersten Maschine am Morgen verlassen. Aber das wäre natürlich Wahnsinn. Jeder Zug, den er jetzt tat, jede Entscheidung, die er traf, barg ein Risiko in sich.
    Das Taxi raste in südöstlicher Richtung eine Schnellstraße entlang, und nach ein paar Minuten hielten sie vor dem UN -Gelände, einem futuristischen Komplex mit Brunnen und betonierten, vom Regen überfluteten Wegen. Spätestens jetzt stellte sich die unvermeidliche Frage, was er während der nächsten paar Stunden anfangen sollte. Aus dem Taxi steigen und spazieren gehen?
    » Gibt es hier in der Nähe eine Bar?«, fragte er den Fahrer. » Einen Nachtclub?«
    Das schien ihm das Sinnvollste zu sein: in einem gut besuchten Nachtclub in der Menge unterzutauchen, sich eine stille Ecke zu suchen und die Zeit bis sechs Uhr totzuschlagen. Aber der Fahrer grunzte nur und zuckte mit den Achseln. Hatte er die Frage nicht verstanden, oder wusste er keinen geeigneten Vorschlag zu machen? Gaddis schaute zum Fenster hinaus auf den strömenden Regen und die Sicherheitsbeamten in ihren neonbeleuchteten Häuschen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand ein Polizeiwagen, offenbar ohne Besatzung.
    » Sprechen Sie Englisch?«, fragte er, aber der Fahrer grunzte wieder und zuckte die Achseln. Sein Benehmen hatte etwas Infantiles. Gaddis machte noch einen Versuch. » Ich bin ein Club finden«,

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