Die Trinity Verschwörung
Gaddis konnte nichts Ungewöhnliches daran finden. » Ihr Flug geht erst in ein paar Stunden.«
Gaddis öffnete die hintere Tür des Autos, als wollte er in ein Taxi steigen, bemerkte seinen Fehler und nahm die Beifahrertür. Budapest war eine völlig andere Welt als Wien, hektisch, chaotisch, der verblassende Pomp des Kommunismus war immer noch da. Gaddis fühlte sich an das schmutzig-graue Licht Moskaus erinnert, derselbe flächendeckende Gestank nach Bitumen und Dieselabgasen lag in der Luft. Schnell, ständig die Spuren wechselnd, die Hand auf der Hupe, fuhr Miklós durch Boulevards, die unweigerlich an den Film Noir erinnerten und in Gaddis’ romantischem Blick voll der Geschäftigkeit und der Wunder und Gefahren waren, die man aus den Straßen des modernen Wiens längst eliminiert hatte. Einen gesegneten Augenblick lang fühlte er sich frei. Dann dachte er an Wilkinson und die schreienden Gäste im Kleinen Café, und er wusste, dass er noch lange nicht in Sicherheit war.
» Soviel ich weiß, haben Sie ein schweres Trauma erlitten«, sagte Miklós.
Obwohl das Wort » Trauma« ihm eine Spur zu melodramatisch erschien, antwortete Gaddis: » Ja.«
» Sie müssen sich keine Sorgen machen. Jetzt ist alles gut. Sie sind in guten Händen. Ich bringe Sie in meine Wohnung. Meine Frau kocht Ihnen eine Suppe. Dann bekommen Sie einen neuen Pass und etwas Geld von mir, und bei Sonnenuntergang sind Sie wieder in London.«
» Sie sind sehr freundlich.« Ihm lagen dieselben Fragen auf der Zunge, die er schon Eva stellen wollte. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie für den MI 6 arbeiten? Wie oft müssen Sie so etwas machen? Aber er fühlte instinktiv, dass man diesen Nischen der Geheimdienstwelt das Privileg ihrer Anonymität besser ließ.
» Sind Sie aus Budapest?«, fragte er stattdessen. Keine besonders fantasievolle Frage, aber etwas Small Talk schien ihm angebracht.
» Ja, bin ich«, antwortete Miklós. » Ich gebe Ihnen jetzt eine Sprachlektion, okay? Schnelleinstieg in die ungarische Sprache.«
» Okay.«
Sie bogen in eine schmale Straße, zu beiden Seiten standen wuchtige Sandsteinbauten. Zu seinem Erstaunen entdeckte Gaddis auf einer Straßenseite eine kleine Tesco-Filiale.
» Wenn Sie einen Cheeseburger wollen, bestellen Sie einen › Scheißburger‹.« Miklós lachte. Gaddis hatte den Eindruck, dass er diesen Vers jedem Ausländer aufsagte, der ihm begegnete. » Lustig, nicht?«
» Sehr lustig.«
» Und die Nippel heißen bei uns › Mellbimbos‹. Männliche Bimbos. Verrückte Sprache, das Ungarische. Gefällt es Ihnen? Verrückt.«
Bald hielten sie am Rand einer breiten Straße vor einem Stoß ordentlich gespaltener Holzscheite, die von einem orangeroten Plastikzaun umgeben waren. Miklós nahm Gaddis’ Tasche aus dem Kofferraum und ging ihm voran durch einen schmalen Torweg zwischen einem Elektroladen und einem Restaurant. Er mündete in den großen Innenhof eines Mietshauses aus dem neunzehnten Jahrhundert. Ein quietschender Lift ruckelte sie hinauf in den dritten Stock.
» Da hinten wohne ich«, sagte Miklós und führte Gaddis einen zum Innenhof hin offenen Korridor entlang. Er zog einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete die Tür zu seiner Wohnung.
Sie traten in eine große, moderne Küche mit einer geländerlosen Treppe in einer Ecke. Am Herd stand eine Frau und schnitt Pilze klein.
» Darf ich Ihnen Viki vorstellen, meine Frau«, sagte Miklós.
Viki war eine attraktive Frau, mindestens fünfzehn Jahre jünger als ihr Mann, mit langem dunklem Haar und schlanker, unter einer marineblauen Schürze versteckter Figur. Gaddis hob die Hand zum Gruß, ohne auf sie zuzugehen; sie hatte signalisiert, dass ihre Hände schmutzig vom Kochen waren, und ein Wangenkuss als Begrüßung schien ihm nicht angemessen. Es war ein Gefühl, als hätte er zum Mittagessen bei guten Nachbarn vorbeigeschaut; die Atmosphäre war von keinerlei Furcht, nicht dem leisesten Misstrauen getrübt. War Viki in die Situation eingeweiht? Stand auch sie auf der Lohnliste des MI 6? Miklós wechselte mit ihr ein paar Worte auf Ungarisch, dann bot er Gaddis einen Hocker an der Frühstückstheke in der Mitte der Küche an.
» Sie wohnen sehr schön hier«, sagte Gaddis und stellte seine Tasche auf dem Boden ab.
» Vielen Dank. Es ist eine Wohnung wie alle anderen, aber wir versuchen, es uns so hübsch wie möglich zu machen. Möchten Sie Kaffee, schnell unter die Dusche gehen?«
» Gleichzeitig?«
Viki lachte, drehte sich um
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