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Die Trinity Verschwörung

Die Trinity Verschwörung

Titel: Die Trinity Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Cumming
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aus; er war davon überzeugt, dass der Zug von der ungarischen Polizei angehalten worden war, die den österreichischen Kollegen Amtshilfe bei der Suche nach dem Mörder von Robert Wilkinson leistete.
    Er setzte sich ohne ein Buch wieder auf seinen Platz. Und weshalb war er aufgestanden? Nur um sich, ohne seine Reisetasche geöffnet zu haben, wieder hinzusetzen? Er fühlte ein Dutzend Augenpaare auf sich gerichtet, als stünde ihm seine Schuld für alle Mitreisenden deutlich lesbar auf die Stirn geschrieben. Als hätten längst alle in ihm den Grund für die Verzögerung der Reise erkannt. Der tätowierte Mann, seine Freundin, das junge Mädchen mit dem MP 3-Player, die rothaarige Geschäftsfrau mit ihrem Lächeln und dem Nadelstreifenkostüm – sie alle wussten Bescheid über seine Flucht aus Wien.
    Die Maschine der Lok schaltete ab, das definitive Zeichen, dass er am Ende war. Beim Erzittern und anschließenden Stillstand der Hydraulik ging ein Stöhnen der Enttäuschung durch den Wagen; jetzt war der Zug all seiner Energie beraubt. Die Leute wechselten verärgerte Blicke, und Gaddis machte mit, runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Ich bin einer von euch, sollte das heißen. Mit dem Kleinen Café hat das alles nicht das Geringste zu tun. Die Rothaarige fing seinen Blick auf, und er versuchte sich an einer Miene mitfühlender Kameradschaft, woraufhin sie die Stirn in Falten zog, als wäre Gaddis ihr zu nahegetreten. Ihr Blick ging jetzt an ihm vorbei zum Ende des Wagens. Dort war jemand durch die Tür gekommen.
    Gaddis drehte sich um und sah keine zehn Meter von seinem Platz entfernt zwei Polizisten. Bildete er es sich ein, oder war der Blick des größeren der beiden für einen Moment auf ihm verharrt? Gaddis schaute auf die andere Seite des Gangs zu dem jungen Mädchen, das zu » Eleanor Rigby« mit dem Kopf wackelte. Er meinte zu fühlen, wie die Angst ihm das Gesicht tiefrot färbte. Plötzlich fantasierte er sich ein Szenario zurecht, bei dem nicht nur die Polizisten ihn verhafteten, sondern auch die Geschäftsfrau, die schon wieder zu ihm herüberstarrte und bei der es sich, davon war er inzwischen überzeugt, nur um eine österreichische Polizeibeamtin in Zivil handeln konnte, die geschickt worden war, um Amtshilfe bei seiner Verhaftung zu leisten.
    Ruhig bleiben, sagte er sich. Bloß keine Hektik. Der Zug konnte aus tausend Gründen angehalten worden sein. Vielleicht waren illegale Einwanderer an Bord oder Schmuggler, die Drogen oder Zigaretten nach Budapest bringen wollten. Hinter sich hörte Gaddis die Polizisten näher kommen, langsam wie der Fahrkartenkontrolleur, gewissenhaft und ominös wie gestiefelte Schergen der Waffen- SS .
    » Die Fahrkarten bitte.«
    Der größere der beiden Polizisten, der ihn von der Tür aus erkannt zu haben schien, beugte sich über den Tisch. Gaddis suchte in seinem Jackett nach der Fahrkarte, die Eva ihm in Hegyeshalom gegeben hatte. Er konnte sich an keinen ihrer guten Ratschläge mehr erinnern. Warum war sie nicht mit ihm in den Zug gestiegen? Hatte man ihn in die Falle laufen lassen? Tanya hätte dafür sorgen müssen, dass ein MI 6-Agent ihn nach Budapest begleitete.
    » Danke«, sagte der Polizist, als Gaddis ihm die Fahrkarte gab. Er blickte dem Polizisten ganz bewusst in die Augen und versuchte, ein möglichst gelangweiltes, gleichgültiges Gesicht zu machen. Einen verrückten Augenblick lang meinte er den Beamten zu erkennen, der ihm von der UNO -City aus gefolgt war.
    » Sie sind Engländer?«
    Gaddis hatte kein Wort gesagt. Woran hatte der Polizist seine Nationalität erkannt? Das Spiel war aus. Sie wussten, wer er war, wo er herkam, was er vorhatte. Ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, die Frage auf Russisch zu beantworten, aber wenn die Polizei sein Gesicht auf der Videoüberwachung im Kleinen Café erkannt hatte, überzeugte jeder Versuch einer Irreführung sie nur noch mehr von seiner Schuld.
    » Ja. Aus London. Sieht man mir das an?«
    Der Polizist hatte ihn auf Englisch angesprochen, doch Gaddis’ Erwiderung schien er nicht verstanden zu haben. Gaddis schaute an ihm vorbei auf den zweiten Beamten, der im anderen Teil des Wagens fleißig Fahrkarten kontrollierte. Hoffnung keimte in ihm auf: Warum setzten sie ihre Suche fort, wenn sie Wilkinsons Tischgenossen doch schon gefunden hatten? Das Mädchen mit den rosa und gelben Kopfhörern steckte die Hand in die Hosentasche ihrer Jeans; sie machte sich nicht einmal die Mühe, die Kopfhörer abzusetzen.

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