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Die Trinity Verschwörung

Die Trinity Verschwörung

Titel: Die Trinity Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Cumming
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Ihre Gelassenheit verblüffte Gaddis. Aber was suchte sie? Eine Fahrkarte oder einen Personalausweis? Wenn die Polizei Gaddis aufforderte, seinen Pass vorzuzeigen, war es aus. Auf der anderen Seite des Tisches war der Ungar mit dem Bürstenschnitt erwacht. Eine der Tätowierungen auf seinen Oberarmen war eine Elvis-Karikatur.
    » Und Sie fahren nach Budapest?«
    » Nur für eine Nacht, ja.« Gaddis fiel ein, was Eva gesagt hatte. Sie kommen morgen zurück. Ein Ein-Tages-Trip erweckt weniger Misstrauen. Er verfluchte, dass sie ihn nicht mit einem Reisepass, einem Führerschein oder sonst einem Lichtbildausweis versorgt hatte, mit dem er sich hätte durchmogeln können. Welcher Tourist überquerte ohne Ausweis eine Grenze? Was war das für ein Geheimdienst, der einen Mann in einem Zug, in dem es von Polizisten wimmelte, einfach seinem Schicksal überließ?
    » Viel Vergnügen«, sagte der Polizist.
    Gaddis war nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. Träumte er? Aber der Beamte beschäftigte sich bereits mit dem Bürstenschnittträger und seiner Freundin, die ihre Fahrkarten mit der größtmöglichen Gleichgültigkeit gegenüber seiner Autorität vorzeigten. Waren solche Durchsuchungen vielleicht an der Tagesordnung? In diesem Augenblick knackte in der Uniformjacke des zweiten Beamten ein Funkgerät. Er nahm die Meldung entgegen, eilte zur Waggontür und kletterte hinunter auf den Bahndamm.
    » Was ist passiert?«, fragte Gaddis.
    » Sie haben ihn«, antwortete der mit dem Bürstenschnitt. Beide Männer erhoben sich von ihren Plätzen und reckten die Hälse, um einen Blick auf die Polizeiwagen zu werfen, die vor dem Bahnübergang standen. Durch eine Gruppe von neugierigen Passanten konnte Gaddis erkennen, wie ein junger Mann auf den Rücksitz des hinteren Autos verfrachtet wurde. Eine Polizistin drückte ihm mit der flachen Hand den Kopf nach unten, die Hände hatten sie ihm mit Handschellen auf den Rücken gefesselt.
    » Wissen Sie, worum es geht?«, fragte Gaddis.
    Der Ungar schüttelte den Kopf. » Nein, keine Ahnung«, sagte er, beugte sich herunter und gab seiner Freundin einen Kuss.

47
    Eine Stunde später fuhr der Zug durch die geisterhaften Vorstädte Budapests, vorbei an ausrangierten Güterwaggons auf Abstellgleisen und Streifen von wildem Mohn und Unkraut. Wie ein Delta aus schimmernden Schienensträngen sah Gaddis die Einfahrt zum Bahnhof Keleti auf sich zukommen. Er war beinahe in Feierstimmung. Jetzt musste er nur noch Evas Kollegen finden und sich zum Flughafen fahren lassen.
    Kaum stand er auf dem Bahnsteig, sah er sich umringt von einer Schar einheimischer Männer und Frauen, die ihm ein Zimmer für die Nacht, ein Taxi in die Stadt oder eine Mahlzeit in einem nahe gelegenen Restaurant aufdrängen wollten.
    » Auto? Auto?«, riefen sie, als er den Kopf schüttelte. » Wohin möchten fahren, Sir?«
    Er schaltete auf Durchzug, hielt sich an Evas Anweisung und ging, nach Miklós Ausschau haltend, auf das große gläserne Dach der Bahnhofshalle zu. Etwa fünfzig Meter weiter vorne, direkt vor den Fahrkartenkontrolleuren, saß auf einer Bank ein bärtiger Mann in einem grünen Jackett, genau wie Eva ihn beschrieben hatte. In der linken Hand hielt er eine Flasche Vittel. Im selben Moment schaute Miklós hoch, fing Gaddis’ Blick auf, und sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln. Gaddis wusste auf Anhieb, dass er den Mann mochte: Der Ungar, der etwa fünfzig Jahre alt war, hatte flinke, lebhafte Augen, aus denen der Schalk blitzte, und machte insgesamt den Eindruck eines selbstbewussten, glücklichen Menschen.
    » Mr. Sam?«, fragte er und streckte die Hand aus.
    Gaddis ergriff sie. Miklós trug braune Lederhandschuhe, die sich kalt und klebrig anfühlten.
    » Darf ich fragen, wer Sie schickt?«, fragte Gaddis.
    » Natürlich dürfen Sie mich das fragen.« Miklós lächelte noch immer, hielt noch immer seine Hand fest. » Über solche Dinge will man schließlich Bescheid wissen, oder? Ich heiße Miklós. Unsere gemeinsame Freundin Eva in Wien hat mich gebeten, Sie hier abzuholen, im Auftrag einer Frau, die Sie als Josephine Warner kennengelernt haben.«
    Gaddis fiel ein Stein vom Herzen. Miklós bemächtigte sich gegen seinen Protest der Tasche und ging an den Fahrkartenkontrolleuren vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Sie verließen den Bahnhof und steuerten auf einen viertürigen Seat zu, der direkt gegenüber parkte.
    » Wir fahren erst mal in meine Wohnung«, erklärte Miklós.

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