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Die Trinity Verschwörung

Die Trinity Verschwörung

Titel: Die Trinity Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Cumming
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Gangs las ein österreichisches Klatschblatt, dessen Titelseite ein Foto von Katharina Witt in einem knallroten Eislaufkostüm schmückte. Gaddis war unruhig, er brauchte eine Beschäftigung für die Hände. Die Paperbacks in seiner Reisetasche fielen ihm ein, aber er wollte nicht unnötig Aufmerksamkeit auf sich lenken, indem er so kurz nach Beginn der Reise schon ins Gepäcknetz langte. Also schaute er zum Fenster hinaus, nahm Straßen und Felder und Wälder der ungarischen Landschaft in sich auf und war sich dabei jedes Zuckens, jeder Bewegung in seinem Gesicht bewusst. Es war ihm nicht möglich, sich zu entspannen. Wie oft hatte er schon in einem Zug gesessen und zum Fenster hinausgeschaut und dabei an gar nichts gedacht? Hundertmal. Heute zählte er jeden einzelnen seiner Atemzüge mit.
    Fünfzehn Minuten verstrichen. Ein Schaffner war am hinteren Ende des Wagens erschienen und arbeitete sich den Gang entlang vor, kontrollierte alle Fahrgäste, die in Hegyeshalom zugestiegen waren. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis er Gaddis erreicht hatte, ihn nach seiner Fahrkarte fragte und sie ihm mit einem kurzen Kopfnicken zurückgab. Mit Erleichterung sah Gaddis ihn weitergehen. Durch diese erste, erfolgreich verlaufene Konfrontation mit einer Autorität ermuntert, erhob er sich, nickte seinem tätowierten Reisegefährten kurz zu und machte sich auf den Weg zum Speisewagen.
    Er war menschenleer. Die Tische mit roten Tischdecken waren gedeckt für vier Personen, in Leder gebundene Speisekarten priesen Gulasch und vier Hühnergerichte an. Gaddis erinnerte sich nicht, ob Eva ihm geraten oder davon abgeraten hatte, sich im Zug zu bewegen, aber er war sich an seinem Platz so steif vorgekommen. Es war, als säße er in der Falle. Diesen kleinen Ausflug brauchte er dringend.
    Er ging an die Bar. Ein junger Mann in einem schlechtsitzenden Jackett bediente einen Kunden, der sich ein paar vereinzelte und deshalb umso kostbarere fettige Haarsträhnen fein säuberlich über die Kopfhaut drapiert hatte. Gaddis bestellte eine Tasse glühend heißen Kaffee und ein klebriges, mit gelbem Vanillepudding gefülltes Gebäck. Für seinen Magen sicher keine Wohltat, aber er hatte nun einmal Hunger und war davon überzeugt, dass das Koffein seinen Geist auf Trab brachte. Er setzte sich auf einen Hocker unter einem » No-smoking«-Schild, kaute auf dem Gebäck herum und schlürfte langsam seinen Kaffee. In diesem Zug ging alles sauber und ordentlich, aber mit zermürbender Langsamkeit vor sich. Es kam ihm vor, als würden sie sich im Schritttempo vorwärtsbewegen und alle zwei Kilometer haltmachen. Selbst die Klimaanlage schien schleppend zu laufen. Als er mit dem Imbiss fertig war, ging er zurück zu seinem Tisch. Er kam dabei durch Waggons, in denen die Fahrgäste in Abteilen mit Schiebetüren untergebracht waren. Bei manchen waren die Vorhänge geschlossen, in anderen saßen Geschäftsleute oder Rentner, die – weil sie nichts Besseres zu tun hatten – Gaddis anglotzten, als er vorüberging.
    Er setzte sich wieder auf seinen Platz. Der Ungar mit dem Bürstenschnitt war gegen das Fenster gekippt und schlief, seine Freundin checkte in einer aufgeklappten Puderdose ihr Make-up. Sie schaute kurz zu ihm hoch, aber ihr Blick glitt gleich zurück in den fleckigen Spiegel. Das junge Mädchen auf der anderen Seite des Gangs lauschte noch immer ihrem MP 3-Player, und Gaddis meinte die gedämpfte Melodie eines Beatles-Songs zu erkennen. Der Geschäftsmann neben ihr war inzwischen aufgewacht, wischte sich übers Kinn und fütterte eifrig Daten in seinen Laptop. Gaddis setzte sich und erwiderte das Lächeln einer Frau, die ihm vorher gar nicht aufgefallen war; eine rothaarige Geschäftsfrau in einem schwarzen Nadelstreifenjackett, die wohl bei der letzten Station zugestiegen sein musste. Es gab nichts, womit er sich beschäftigen konnte. Er langweilte sich und brauchte etwas zu lesen. Es wäre immerhin interessant zu wissen, welche Bücher Eva für ihn herausgesucht hatte.
    Gaddis erhob sich von seinem Platz. Gerade wollte er nach seiner Tasche langen, als der Zug abrupt abbremste. Er hätte sich nichts dabei gedacht, doch im Stehen konnte er durch ein Fenster bis zur Spitze des Zuges schauen. Die Lokomotive hatte vor einem Bahnübergang gehalten. Zwei Polizeiwagen mit geräuschlos rotierenden Blaulichtern parkten auf der verlassenen Landstraße. Der Anblick der stumm gegen den Morgenhimmel pulsierenden Blitze löste in Gaddis eine lähmende Furcht

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