Die Trinity Verschwörung
nützen. Ich habe Kopien gemacht, und die sind an einem sicheren Ort verwahrt. Es sind Leute damit beauftragt, das Material an die Medien weiterzugeben, falls mir etwas zustößt.«
Grek schaute Gaddis fest in die Augen, weil er eine Lüge vermutete.
» Sie wollen Zeit gehabt haben, mehrere Kopien zu machen?« Es war eine Gelegenheit, abhandengekommene Selbstgefälligkeit zurückzugewinnen. » Das bezweifle ich. Ich denke vielmehr, dass die einzige Kopie keine fünfhundert Meter von hier in einem Briefkasten liegt. Ich glaube, Sie bluffen.«
» Lassen Sie’s drauf ankommen.«
Ein junges Mädchen mit etwas an der Lippe, das wie ein Fieberbläschen aussah, ging am Arm ihres Freundes vorbei. Als Gaddis es als Lippenpiercing erkannt hatte, lächelte er in sich hinein.
» Was ist so komisch?«, fragte Grek.
In dem Augenblick vibrierte das Handy in seiner Brusttasche. Der Russe schob die Hand unter das Jackett, Gaddis und Tanya zuckten zusammen, weil sie befürchteten, sie könnte mit einem Schießeisen wieder hervorkommen. Aber er beruhigte sie, indem er langsam sein Jackett aufknöpfte und das Mobiltelefon mit den Fingerspitzen aus der Tasche hob.
» Ganz ruhig. Sie glauben doch nicht, ich würde Sie erschießen? Was denken Sie von mir?«
Er blickte hinunter auf das Display. Es war eine Nachricht von Kepitsa. Gaddis nutzte die Zeit zu einem Seitenblick auf Tanya, die ihn mit einem Kopfnicken beruhigte. Grek schaute hoch und sagte: » Sie scheinen recht zu haben, Doktor Gaddis.« Auf Russisch fügte er hinzu: » Eben bekomme ich die Instruktion, Ihnen das Band zu lassen. Habe ich Ihr Wort, dass unser Geschäft beschlossen ist?«
» Sie haben mein Wort«, antwortete Gaddis.
Grek steckte das Telefon weg und wandte sich um in Richtung Chelsea Bridge. Einen Moment lang schien er über eine Abschiedsbemerkung nachzudenken, überlegte es sich anders und ging davon. Nach wenigen Augenblicken war er zwischen den Lichtern der Londoner Abenddämmerung verschwunden. Beinahe gleichzeitig war Des neben Tanya aufgetaucht und sagte zu Gaddis » Hi«, als wären sie noch in Berlin.
» Geh zu dem Mercedes«, befahl ihm Tanya, » und pass auf Holly auf. Und es soll jemand in dem Briefkasten nachsehen.«
» Nicht nötig«, sagte Gaddis. » Das ist ’ne Attrappe, eine Kopie von Hollys Demoband. Die echte Kopie hab ich einer Putzfrau im Treppenhaus zugesteckt. Sie hat mir versprochen, sie auf dem Nachhauseweg aufzugeben.«
Des zollte dem Trick ein anerkennendes Kopfnicken, bevor er das Embankment überquerte und sich auf den Weg in die Tite Street machte. Gaddis lehnte sich wieder auf die steinerne Brüstung und sah ein altes Holzspielzeug im Sand am Ufer der Themse stecken. Wie ein Relikt aus einer anderen Zeit.
» Was ist mit Brennan?«, fragte er. » Weiß er über den Deal Bescheid?«
» Ja.« Tanya stand neben ihm, ihre Arme berührten sich. » Die Masterkassette ist in Vauxhall Cross. Ich hatte keine Ahnung. Es war das letzte der vielen Geheimnisse, die er vor mir bewahrt hat. Brennan nutzt es als Druckmittel, wann immer Platow auf übermütige Gedanken kommt.«
» Realpolitik«, sagte Gaddis auf Deutsch, während er einen Doppeldeckerbus über die Albert Bridge rollen sah. » Und Grek?«
Tanya fasste mit kaum verhohlenem Triumph im Blick seine Hand. » Der erlebt heute seine letzte Nacht in unserer schönen Hauptstadt. Grek und Doronin werden nach Moskau zurückberufen, genau wie ihr Kumpan in dem Mercedes. Außerdem will Brennan um eine Versetzung Kepitsas nachsuchen.«
Gaddis wollte ihr gratulieren, aber da war noch etwas.
» Nur … verstehen Sie … es wird nicht funktionieren.« Die Worte kamen ihm zögernd über die Lippen.
» Was wird nicht funktionieren?«
Ein bis zum Rand mit Partygästen gefülltes Vergnügungsboot trieb mit der Strömung vorbei. » Der Platow-Deal. Was ist, wenn er irgendwann doch aus dem Kreml geworfen wird? Wenn er seine Macht verliert? Dann sind sie wieder hinter mir her.«
» Ganz gewiss nicht.« Erleichtert hörte er die Überzeugung in ihrem Ton. » Platow ist ein Zar. Das sollten Sie am besten wissen. Der regiert so lange, wie seine Gesundheit mitmacht. Warum hätte er sonst die Verfassung ändern sollen? Die nächsten zwanzig, dreißig Jahre gibt es in Moskau keinen Wechsel. Und auch danach wird sein Ruf ihm am Herzen liegen. Er weiß genau, dass das Videoband sein politisches Erbe auch dann noch zunichtemachen kann. Er wäre nicht so dumm, Jagd auf Sie machen zu
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