Die Trinity Verschwörung
Tanya Acocella von London nach Berlin geflogen war. Das dritte Mitglied des Überwachungsteams – » Des« – wartete in dem Audi in der Hofjägerallee auf weitere Instruktionen von Tanya, die sich einen knappen Kilometer von der britischen Botschaft entfernt in einer vom SIS angemieteten Wohnung in der Wilhelmstraße eingerichtet hatte. Sie wusste, dass EISBÄR sich mit Meisner treffen wollte, aber nicht, wann und wo dieses Treffen stattfinden sollte.
Gaddis war 1983 zuletzt in Berlin gewesen. Auf einer Klassenfahrt hatten sie als Schüler über die Mauer auf ostdeutsche Grenzbeamte geblickt, und die hatten den Blick durch die Linsen ihrer Armeeferngläser erwidert, um sich die Langeweile ein bisschen zu vertreiben. Der lange Zeitraum versetzte Gaddis in nachdenkliche Stimmung, und er blieb volle fünf Minuten direkt unter dem Brandenburger Tor stehen und dachte darüber nach, wie die Stadt sich im vergangenen Vierteljahrhundert verändert hatte, drückte andächtig und sentimental berührt seine Handflächen auf den Stein, was Ralph zu Lachanfällen reizte.
» Er steht unterm Tor und macht komische Sachen«, gab Ralph per Handy an Tanya weiter.
Aber eine zweite Person tauchte nicht auf. EISBÄR ging schließlich weiter zum Reichstag, schien sich dort jedoch von der langen Schlange der Touristen, die Norman Fosters Kuppel bestaunen wollten, abschrecken zu lassen und ging den Weg zurück, den er gekommen war; er verweilte eine Viertelstunde auf der Südseite des Brandenburger Tores, dann schlenderte um das Holocaust-Mahnmal herum.
» Dass ihr ihn dort bloß nicht aus den Augen lasst«, musste Ralph sich von Tanya mahnen lassen, die wusste, dass es sich bei dem Mahnmal um ein riesengroßes Labyrinth aus Betonquadern handelte, manche davon bis zu viereinhalb Meter hoch, hinter denen Gaddis leicht verschwinden konnte. Sie war inzwischen überzeugt, dass er sich des Handwerkszeugs der Laienspione bediente – deshalb sein kleiner Bahnsteig-Stunt auf der Waterloo Station –, und so jemand kam durchaus auf den Gedanken, die Verabredung mit Meisner ins Zentrum des Mahnmals zu verlegen, wo man vor Wanzen sicher war.
In der Zwischenzeit hatte Katie ihr Fahrrad an die Kreuzung Ebert- und Hannah-Arendt-Straße gefahren, an der südwestlichen Ecke des Mahnmals, weil sie vermutete, dass EISBÄR dort herauskommen und weiter zum Checkpoint Charlie gehen könnte.
» Ich denke, er macht die übliche Touristenrunde«, sagte sie, als EISBÄRS Kopf plötzlich nahe der Straße hinter einer der Stelen auftauchte. Sekunden später stand Gaddis auf der Hannah-Arendt-Straße auf dem Gehsteig, zündete sich eine Zigarette an und ging in östlicher Richtung weiter zur Friedrichstraße, wo er neben einem Briefkasten stehen blieb und nach einem Taxi Ausschau hielt.
» Er wartet offenbar auf ein Taxi«, berichtete Ralph ordnungsgemäß, und Tanya beorderte den Audi bis auf zweihundert Meter an seine Position heran, während Ralph jetzt seinerseits nach einem Taxi Ausschau hielt.
» Gut«, sagte sie. » Und jetzt bleibt an ihm dran.«
Das taten sie. Der Audi war nach drei Minuten da und folgte EISBÄR den ganzen Weg zum Prenzlauer Berg, einem angesagten Viertel im ehemaligen Ostberlin, in dem die unkonventionelle Elite der Stadt sich ihre Vinylschallplatten kaufte und Latte Macchiatos schlürfte. Ralph erwischte zwei Minuten nach Gaddis ein Taxi, aber er wurde abberufen, nachdem Des versichert hatte, er habe die Sache » total im Griff«. Um 15.46 Uhr sah man Gaddis auf der Schönhauser Allee den Taxifahrer bezahlen und aussteigen.
» Eine Straße weiter ist Meisners Praxis«, erklärte Tanya nach einem Blick auf den Berliner Stadtplan. Sie hatte am Abend zuvor um neun Uhr eine Ortsbesichtigung vorgenommen. » Mal sehen, ob wir sein Telefon in Gang bringen.«
EISBÄRS Handy könnte das einzige Problem sein. Vor zwei Tagen hatte Gaddis es eine Weile unbeobachtet in seinem Büro im UCL liegen lassen, und einem SIS -Techniker war es gelungen, eine Software zu installieren, mit der man das Handy aus der Ferne in ein Mikrofon verwandeln konnte. Einmal hatte die Wanze schon funktioniert, als Ralph in einem Auto vor Gaddis’ Haus gestanden und ihn abgehört hatte, aber im Ausland gestaltete sich so etwas meist schwieriger. Zudem lag Meisners Praxis im dritten Stock; man brauchte Geschick und etwas Glück, um ein deutliches Signal hinunter in den Audi zu bekommen.
Gaddis hatte den Eingang gefunden. Neben der Haustür war ein Schild
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