Die Trinity Verschwörung
Nacht in Ihrem Zimmer. Morgen früh brechen wir dann zusammen auf. Ich verspreche Ihnen, wenn wir wieder in London sind, wird alles leichter.«
» Leichter«, sagte er, noch traumatisiert vom Geschehenen. Er hatte Hunger und brauchte dringend eine Zigarette, aber die Packung hatte er in dem Jackett vergessen, das jetzt in einer Mülltonne irgendwo in der Stadt steckte.
Sie betraten das Hotel. Tanya ging an seiner Seite, und als sie in der Lobby waren, legte sie einen Arm um ihn und flüsterte ihm ins Ohr.
» Wir sind Verliebte«, sagte sie. » Sie sind glücklich.«
Immerhin brachte der Trick sie an neugierigen Augen hinter dem Rezeptionstresen vorbei. Vor den Aufzügen drehte sich Gaddis zu ihr hin.
» Sie denken an alles«, sagte er, doch die Verachtung war ihm an den Augen abzulesen.
Auf dem Zimmer nahm er vier Miniflaschen Whisky aus der Minibar, füllte sie in ein Glas und kippte sie in einem Zug hinunter. Dann ging er ins Bad, blieb eine halbe Stunde unter der Dusche sitzen. Tanya wartete draußen. Sie rief Brennan in London an, erklärte ihm, was geschehen war, dann schaute sie sich die deutschen Fernsehberichte über die Schießerei in Kreuzberg an. Um elf Uhr schaltete ein Nachrichtensender live in die Reichenberger Straße, und sie erkannte den Eingang zu Meisners Wohnhaus, vor dem jetzt ein Absperrband der Polizei gespannt war. Es gab Aufnahmen von fassungslosen Nachbarn – alten Frauen in Morgenmänteln, jungen Türken in Jeans und T-Shirts –, die zu den Fenstern im zweiten Stock hinaufschauten.
» Schalten Sie es ab«, befahl ihr Gaddis.
Sie setzte sich zu ihm, aber sie redeten kaum ein Wort. Vom Zimmerservice hatte sie Sandwiches bringen lassen, doch Gaddis rührte sie nicht an. Gegen halb zwei, ruhiggestellt von Hunger und Whisky, fiel er schließlich in einen leichten Schlaf, und als er eine Stunde später aufwachte, saß Tanya in einem Lehnsessel auf der anderen Seite des Zimmers und sah ihn an. Es ging ihr nicht um sein Wohlergehen, dachte er. Sie passte nur auf, dass er nicht weglief.
» Was ist nun wahr und was nicht?«, fragte er sie mit leiser, heiserer Stimme.
» Ich verstehe die Frage nicht.«
» Gab es einen sechsten Mann, oder gab es ihn nicht?«
» Es gab einen sechsten Mann.«
Gaddis spürte die Wärme der Genugtuung.
» Und die Einzelheiten? Hat Crane wirklich mit Cairncross zusammen in Bletchley gearbeitet? Hat er von Oxford aus einen Ring von NKWD -Spionen geführt?«
Tanya schüttelte den Kopf. » Das weiß ich nicht«, sagte sie.
Er drehte sich auf die Seite. » Und wie lief das mit dem Seitenwechsel? Welche Rolle spielte Dick White? Ist Crane wirklich zum Doppelagenten geworden, oder hat er euch noch mal dreißig Jahre lang für dumm verkauft?«
» Das halte ich für sehr unwahrscheinlich«, sagte sie, und es klang beinahe desinteressiert, aber jetzt wollte er ihr eine kleine Nachhilfestunde geben. Immerhin war sie jung genug, eine seiner Studentinnen zu sein.
» Philby ist zu White gegangen«, sagte er. » Haben Sie das gewusst? 1963. Sie saßen ihm im Nacken, also legte er ein Teilgeständnis ab. Er räumte ein, sowjetischer Spion gewesen zu sein, behauptete aber, der Verrat sei auf die Kriegsjahre beschränkt gewesen. Und danach habe er nur noch für Königin und Vaterland gehandelt.« Tanya betrachtete ihn aufmerksam. » Sie haben es ihm abgekauft und ihn laufen lassen. Philby war ein so versierter Lügner, dass die klügsten Köpfe vom MI 5 und MI 6 auf seinen Quatsch hereinfielen. Keine Woche später war er unterwegs nach Moskau. Vielleicht ist Crane ja auf dieselbe Tour gereist.«
» Kann ich mir nicht vorstellen«, sagte sie, auch wenn es kaum mehr als ein Gefühl war.
» Was glauben Sie, Tanya, warum werden Menschen getötet?« Von neuer Streitlust erfüllt, biss er in eines der trockenen Sandwiches. » Warum haben die Briten Cranes Geschichte nicht in die Welt hinausposaunt? Fragen Sie sich das nicht auch manchmal? Warum befiehlt Platow die Liquidierung jedes Individuums, das mit ATTILA in Verbindung stand?«
» Sam, ich sage Ihnen doch, ich weiß es nicht.« Ihr war jetzt klar, warum sie ihn mochte und bewunderte. Mit fünfundzwanzig war Tanya Acocella einem Traum gefolgt, hatte eine vielversprechende akademische Karriere zugunsten der Verlockungen der Welt des Geheimdienstes aufgegeben. Gaddis stand für beides – ihre Vergangenheit und eine mögliche Zukunft: ein Leben, das der freien Forschung gewidmet war. » Es gibt Elemente bei dieser
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