Die Trinity Verschwörung
eine Haarsträhne hinters Ohr. » Mum dürfte ungefähr in meinem Alter gewesen sein. Sie waren so gut wie verlobt, da wurde Bob vom Foreign Office oder so etwas ins Ausland geschickt, und ihre Geschichte war zu Ende.«
Das gefiel Gaddis nicht. » Vom Foreign Office oder so etwas.« Das klang beinahe so, als wollte sie ihm als Entschädigung für eine Lüge etwas hinwerfen.
» Er hat seine Karriere über deine Mutter gestellt?«
» Na ja, so kann man es auch sehen.« Sie lachte. » Mum war sogar erleichtert. Sie lernte meinen Vater kennen, kurz darauf heirateten sie und bekamen mich. Und wir lebten alle glücklich und zufrieden.« Sie fing an, mit dem Deckel eines der Schuhkartons herumzuspielen. » Aber Bob konnte sie einfach nicht vergessen. Er hat geheiratet, sich wieder scheiden lassen und ist immer in Kontakt mit Mum geblieben, und nachdem Dad gestorben war, hat er ihr beruflich sehr geholfen.«
Gaddis bemerkte, dass sie die Stirn in Falten zog.
» Was ist?«
Holly schüttelte den Kopf. » Ich könnte mir vorstellen, dass sie, so vor etwa zehn Jahren, eine Art Neuauflage ihrer Affäre hatten.« Sie drehte sich zu dem Radio um. » Warum stellst du das Scheiß-Klassikradio an?«
» Das ist immerhin das Klassikprogramm der BBC . Radio 3.«
Holly stand auf, schenkte sich ein Glas Mineralwasser aus einer Flasche im Kühlschrank ein und drehte das Radio leiser. Gaddis wollte protestieren, aber er ließ es. Er wollte sie nicht auch noch mit einer paranoiden Tirade über Abhörsysteme verstimmen. Stattdessen sah er ihr zu, wie sie ihr Wasser trank – in einem Zug, wie eine Kur gegen den Nachdurst –, bevor sie zurück zu ihrem Stuhl ging.
» Mum hat über politische Themen geschrieben, Spionage.« Holly war zu Bühnenflüstern übergegangen, den Zeigefinger auf die Lippen gelegt. Sie bekam Spaß an der Sache. » Bob war ein großer Spion. Eiserner Vorhang. Kalter Krieg. Fürchtest du dich deshalb, abgehört zu werden?« Jeden Moment schien sie in lautes Gelächter ausbrechen zu wollen. » Benutzt du Mums Material, um ein Buch über den MI 6 zu schreiben?«
Er forderte sie mit einer Handbewegung zum Weiterreden auf.
» Soviel ich weiß, fütterte Bob meine Mum ständig mit kleinen Leckerbissen, Agentenklatsch, Gerüchten aus Washington und Westminster.« Sie klopfte mit den Knöcheln auf den Tisch. » Fünfzig Prozent des Zeugs dürften von ihm stammen. Es war seine Art, Zuneigung auszudrücken. Oder er wollte sein schlechtes Gewissen beschwichtigen, weil er zu den Russen übergelaufen war. Es war sein Wunsch, dass sie ein großes Buch über die westlichen Geheimdienste schreiben sollte, über all die Dinge, die Bob Wilkinson nicht aussprechen durfte, weil das Gesetz ihn zum Schweigen verpflichtete.« Sie nahm Gaddis’ Hand in ihre, und plötzlich schien alle Lebhaftigkeit wieder aus ihr gewichen zu sein. » Aber Mum war dazu gar nicht in der Lage. Wahrscheinlich hat sie das Material nicht einmal gelesen. Irgendwann ging Bob ihr auf die Nerven. Er war wie eine lästige Fliege, die sich nicht vertreiben lässt. Es ging ihr ja nie so gut, dass sie hätte arbeiten können. Ich glaube, Bob lebt jetzt in Neuseeland. Ich habe ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.«
» Ist er nicht zum Begräbnis deiner Mutter gekommen?«
Holly schüttelte den Kopf. » Weiß ich nicht mehr. Zu der Zeit hab ich einen neuen Weltrekord im Valiumkonsum aufgestellt. Kann sein. Kann auch sein, dass er nicht mal weiß, dass sie tot ist.«
Gaddis nahm den Brief zur Hand und reichte ihn ihr. Ein Lastwagen rumpelte mitten in der Nacht über die Temposchwellen draußen auf der Straße. Er deutete auf die Zeilen über Platow. » Was denkst du, was könnte er damit gemeint haben?«
» Hier?« Holly kniff die Augen zusammen wie eine alte Frau, die ihre Brille verlegt hatte. » Platow? Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
Gaddis studierte ihr Gesicht, immer noch nicht überzeugt, dass er hier nicht manipuliert wurde. » Deine Mutter hat nie darüber gesprochen, dass sie über jemanden im Kreml recherchierte?«
» Nie.« Holly lehnte sich mit einem fragenden Stirnrunzeln zurück in ihren Stuhl. » Ich dachte, du bist hier der Platow-Experte. Was läuft hier, Sam?«
» Das frag ich dich.«
33
Natürlich war in internationalen Adressverzeichnissen kein Eintrag für einen Robert Wilkinson zu finden, also musste Gaddis Holly um einen Gefallen bitten. Hatte ihre Mutter ein Adressbuch? Würde man dort vielleicht Bobs Nummer finden? Holly
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