Die Troja-Mission
offenbar die Abgaswerte und die Temperatur im Tunnel überwacht und die Gebläse dementsprechend geschaltet wurden.
Sie waren mittlerweile so tief unter den Turbinen, dass sie wieder leise miteinander reden konnten. Giordino zog sich wieder hoch und wandte sich an Pitt, der inzwischen zu ihm herabgestiegen war.
»Wie sieht’s aus?«, fragte Pitt.
»Die Leiter führt an einem Kontrollraum vorbei, der knapp fünf Meter über dem Tunnelboden liegt. Ein Mann und eine Frau sitzen dort vor ihren Computerkonsolen. Beide haben uns den Rücken zugekehrt. Die sollten wir ausschalten können, ehe sie wissen, wie ihnen geschieht.«
Pitt warf einen kurzen Blick auf Giordinos dunkle Augen. »Wie wär’s dir lieber?«
Giordino grinste ihn hämisch an. »Ich übernehme den Mann. Frauen kannst du besser kampfunfähig machen als ich.«
Pitt funkelte ihn an. »Du alter Feigling.«
Ohne sich lange aufzuhalten, stiegen sie leise in den Kontrollraum hinab. Die beiden Belüftungstechniker – der Mann trug einen schwarzen Overall, die Frau einen weißen – waren so in ihre Computerdaten vertieft, dass sie sie nicht bemerkten, bis sie sich auf ihren Bildschirmen spiegelten, und dann war es bereits zu spät. Giordino kam von der Seite und setzte den Mann mit einem rechten Haken außer Gefecht. Pitt verpasste der Frau einen Schlag in den Nacken, unmittelbar unter dem Schädel. Beide sackten nahezu lautlos in sich zusammen.
Pitt ging in die Hocke, holte eine Rolle Isolierband aus seinem Rucksack und warf sie Giordino zu. »Ich zieh sie aus, du fesselst sie.«
Knapp drei Minuten später hatten sie die bewusstlosen Belüftungstechniker gefesselt und geknebelt, bis auf die Unterwäsche ausgezogen und unter die Konsolen gewälzt, damit man sie von draußen nicht sehen konnte. Pitt stieg in den schwarzen Overall, der ihm ein bisschen zu weit war; Giordino hingegen, der sich in den Overall der Frau gezwängt hatte, sah aus wie eine Weißwurst, die jeden Moment aus den Nähten platzt. Auf einem Regal fanden sie die dazu passenden Helme, setzten sie auf und zogen los. Pitt hängte sich den Rucksack lässig über die linke Schulter, Giordino schnappte sich ein Klemmbrett samt Stift und tat so, als wäre er in offiziellem Auftrag unterwegs. Dann stiegen sie die letzten paar Meter hinab.
Einen Moment lang standen Pitt und Giordino wie gebannt da, geblendet vom gleißenden Lichtschein der zahllosen Lampen, die sich in endlosen Reihen an der Stollendecke entlangzogen.
Das war kein gewöhnlicher Eisenbahntunnel. Es war überhaupt kein Eisenbahntunnel.
29.
Der im Querschnitt hufeisenförmige Tunnel war weitaus gewaltiger, als er oder Giordino es sich vorgestellt hatten. Pitt kam sich vor, als wäre er in die utopische Welt eines Jules Verne geraten. Er schätzte den Durchmesser des Bohrloches auf gut fünfzehn Meter – viel größer als jeder Tunnel, der je gebaut worden war. Der Kanaltunnel zwischen England und Frankreich hatte beispielsweise einen Durchmesser von knapp siebeneinhalb Metern, und der Seikan-Tunnel, der die japanischen Inseln Honschu und Hokkaido verband, durchmaß knapp zehn Meter.
Statt des Surrens der riesigen Gebläse herrschte hier unten eine Art Summen, das durch den ganzen Tunnel hallte. Über ihnen verlief ein auf Stahlträgern montiertes Förderband, das den Abraum unaufhörlich in Richtung Osten transportierte. Der bestand nicht etwa aus Steinen oder kleineren Felsbrocken, sondern war fast zu Sand zerkleinert worden.
»Da hast du die Ursache für den braunen Schlick«, sagte Pitt. »Sie zermahlen das Gestein zu feinem Pulver, das durch ein Rohr in die Karibik gepumpt werden kann.«
Unter dem Förderband verlief ein Schienenstrang und parallel dazu eine Betonpiste. Pitt kniete sich hin und musterte die Gleise und Schwellen. »Elektrisch betrieben, wie die U-Bahn in New York.«
»Pass auf die Stromführung auf«, warnte ihn Giordino. »Ich möchte nicht wissen, unter welcher Spannung die steht.«
»Die müssen alle paar Meilen Generatoren installiert haben, die den nötigen Strom liefern.«
»Willst du einen Penny auf die Gleise legen?«, fragte Giordino scherzhaft.
Pitt stand wieder auf und blickte in die Ferne. »Diese Gleise halten nie und nimmer Hochgeschwindigkeitszüge aus, die mit vierhundert Stundenkilometern und mehr Frachtcontainer befördern. Die Schienen sind qualitativ alles andere als hochwertig, und die Schwellen liegen zu weit auseinander. Außerdem beträgt die übliche Spurbreite von
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