Die Troja-Mission
Riviére Salée.
Grande-Terre, der östliche Flügel des Schmetterlings, war das glatte Gegenteil von Basse-Terre. Die Insel besteht vorwiegend aus weiten Ebenen und sanft gewelltem Hügelland, auf denen hauptsächlich Zuckerrohr angebaut wird, der Rohstoff, aus dem die drei Brennereien den ausgezeichneten Rum von Guadeloupe herstellen.
Summer freute sich schon darauf, ein paar der zahlreichen schwarzen und weißen Sandstrände genießen zu können, an denen sich hohe Palmen im Winde wiegten. Insgeheim allerdings wusste sie, dass das vermutlich reines Wunschdenken war. Sobald sie und Dirk ihre Suche nach der verschollenen Flotte des Odysseus beendet hatten, würde Admiral Sandecker sie höchstwahrscheinlich zurückbeordern, ohne ihnen ein paar Tage Urlaub zu gönnen. Sie nahm sich vor, trotzdem zu bleiben, ohne Rücksicht auf die Folgen, auch wenn sie den Zorn des Admirals auf sich ziehen sollte.
Die Maschine flog in einer weiten Kurve über Pointe-à-Pitre, die größte Hafenstadt und das Handelszentrum von Guadeloupe. Sie blickte hinab auf die Häuser, die teils mit roten Ziegeln, teils mit Wellblech gedeckt waren. Inmitten der einladend wirkenden Stadt befand sich ein malerischer Marktplatz, der von allerlei Buden und Straßencafes gesäumt war. Auf den schmalen Straßen ging es ziemlich bunt und lebhaft zu. Allerdings waren nur wenige Autos unterwegs. Viele Menschen gingen zu Fuß oder fuhren mit Motorrädern und -rollern. In den kleinen Häusern rund um das Hafengelände gingen bereits die ersten Lichter an. An den Kais waren Schiffe vertäut, und kleine Fischerboote liefen mit ihrem Tagesfang die Reeden an.
Der Pilot schwebte jetzt zur Landung auf dem Pole Caraibes Airport von Guadeloupe ein. Rumpelnd fuhr das Fahrwerk aus, surrend stellten sich die Landeklappen nach unten. Einen Moment lang fiel ein Strahl der untergehenden Sonne durchs Fenster, dann setzte die Maschine mit einem kurzen Stoß auf der Landebahn auf, gefolgt vom Kreischen der Reifen und dem schrillen Heulen der auf Schubumkehr laufenden Triebwerke, ehe sie abbremste und zum Flughafengebäude rollte.
Summer mochte die frühe Abendstimmung in den Tropen seit jeher. Normalerweise kam um diese Tageszeit ein leichter Wind auf, der die schwüle Tageshitze vertrieb. Sie liebte den Geruch der feuchten Pflanzen nach einem Regenfall und den Duft der überall wuchernden Tropenblumen.
»Wie sieht’s mit deinem Französisch aus?«, fragte Dirk, als sie die Gangway hinabstiegen.
»Etwa so gut wie mit deinem Swahili«, erwiderte sie strahlend, als sie mit wehendem Rock, der mit leuchtend bunten Blumen bedruckt war, über das Vorfeld lief.
»Hier sprechen nur die Touristen Englisch. Die Einheimischen sprechen Französisch oder einen französisch-kreolischen Dialekt.«
»Da keiner von uns auf der Schule eine Fremdsprache als Hauptfach hatte, müssen wir uns einfach durch Zeichensprache verständigen.«
Dirk warf seiner Schwester einen langen Blick zu und lachte dann. Er reichte ihr ein kleines Buch. »Das ist ein englisch-französisches Wörterbuch. Ich leih es dir, falls du was übersetzen musst.«
Sie gingen ins Flughafengebäude und stellten sich hinter den anderen Passagieren zur Pass- und Einreisekontrolle an. Der Schalterbeamte blickte kurz auf, ehe er ihre Pässe abstempelte.
»Sind Sie geschäftlich oder zum Vergnügen auf Guadeloupe?«, fragte er in fließendem Englisch.
Summer drehte Dirk eine Nase. »Zum Vergnügen«, erwiderte sie und hob die linke Hand, an der ein mit einem großen Diamant besetzter Ring funkelte. »Wir sind in den Flitterwochen.«
Der Beamte warf einen kurzen Blick auf ihren Busen, nickte, lächelte beifällig und drückte den Stempel auf die jungfräulichen Seiten ihres Passes. »Genießen Sie Ihren Aufenthalt«, sagte er mit einem Tonfall, der beinahe anzüglich klang.
»Was sollte dieser Stuss von wegen Flitterwochen?«, sagte Dirk, sobald sie außer Hörweite waren. »Und woher hast du diesen Ring?«
»Ich dachte, es wäre eine ganz gute Tarnung, wenn wir so tun, als ob wir frisch verheiratet wären«, antwortete sie. »Der Stein ist aus Glas. Ich habe acht Dollar für den Ring bezahlt.«
»Hoffentlich schaut ihn sich niemand näher an, sonst hält man mich für den geizigsten Gatten auf der ganzen Welt.«
Sie gingen zur Gepäckausgabe, wo sie zwanzig Minuten auf ihre Reisetaschen warten mussten. Nachdem sie sie auf einen Karren geladen und die Zollabfertigung hinter sich gebracht hatten, begaben sie sich ins
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