Die Troja-Mission
Interessen. Sicher, beide mochten alte Autos und Flugzeuge und liebten die See, aber damit endeten ihre Gemeinsamkeiten auch schon. Dirk fuhr gern Motocross- und Schnellbootrennen, Disziplinen, bei denen es auf das persönliche Können ankam. Sein Vater hingegen, der eher selten als Einzelkämpfer antrat, wählte lieber Sportarten, bei denen mannschaftliche Geschlossenheit und Teamgeist im Vordergrund standen. Während der Sohn an der University of Hawaii bei diversen Leichtathletikwettbewerben gestartet war, hatte Dirk, der Ältere, Football gespielt und war an der Air Force Academy ein ausgezeichneter Quarterback geworden.
Nachdem der Gesprächsstoff über Odysseus und dessen Irrfahrten erschöpft war, stellten sie fest, dass es höchste Zeit war, sich aufs Ohr zu hauen. Summer ging nach unten und legte sich auf eine der Kojen, während sich Dirk auf die Polster im Cockpit bettete und unter freiem Himmel schlief.
Um vier Uhr morgens breitete sich eine obsidian-schwarze See unter der dichten Wolkenschicht aus, die die Sterne verdeckte. Ein leichter Regen setzte ein, der zusehends stärker wurde. Dirk zog eine Ölplane über sich und versank sofort wieder im Reich der Träume.
Kein Bootsmotor weckte ihn, da die Eindringlinge nicht mit dem Motorboot kamen. Sie stiegen lautlos aus dem Wasser, wie die Geister, die an Halloween um die Grabsteine schweben. Sie waren zu viert, drei Männer und eine Frau. Dirk hörte auch die leisen Schritte nicht, als sie das Fallreep emporkletterten, das er nicht eingeholt hatte. Ohne sich darüber im Klaren zu sein, hatte er es ihnen leicht gemacht, sich an Bord zu schleichen.
Jeder Mensch reagiert anders, wenn er mitten in der Nacht von Eindringlingen geweckt wird. Dirk konnte überhaupt nicht reagieren. Im Gegensatz zu seinem Vater musste er noch lernen, dass man sich nicht auf sein Glück oder Geschick verlassen durfte, sondern sich stets an die alte Pfadfinderregel halten sollte: allzeit bereit. Ehe er begriff, dass Fremde an Bord der
Dear Heart
waren, wurde ihm die Ölplane um den Kopf geschlungen, und jemand zog ihm einen Totschläger, eine Baseballkeule oder einen Schlagstock über den Schädel. Dann wurde ihm schwarz vor Augen, und er hatte das Gefühl, als fiele er in ein bodenloses Loch.
44.
Die Vorbereitungen zur Evakuierung der Isla de Ometepe waren nahezu abgeschlossen. Vier Tage hatte es gedauert, bis Außenminister George Hampton Raul Ortiz, den Präsidenten von Nicaragua, davon überzeugt hatte, dass die Amerikaner lediglich aus humanitären Gründen tätig werden wollten. Er versprach ihm, dass die amerikanischen Streitkräfte sofort wieder das Land verlassen würden, sobald die Rettungsaktion beendet sei. Jack Martin und Admiral Sandecker bearbeiteten unterdessen die nicaraguanischen Wissenschaftler, die das Unternehmen in vollem Umfang unterstützten, sobald sie von der drohenden Katastrophe erfuhren.
Wie erwartet sperrten sich die Amtsträger vor Ort, die von Specter geschmiert waren, gegen jede Einmischung. Und auch all diejenigen, die mit den Chinesen zusammenarbeiteten, erhielten ihren Marschbefehl und setzten sich erbittert zur Wehr. Aber wie bei der Konferenz vorgeschlagen, wandten sich Martin und Sandecker an die politische Führung des Landes, schilderten das ganze Ausmaß der Gefahr, wiesen auf die zahllosen Todesopfer hin, die eine derartige Katastrophe im Umkreis von anderthalb Kilometern rund um den See fordern würde, und jagten ihnen damit eine Heidenangst ein. Binnen kürzester Zeit erlahmte jeder Widerstand.
General Stack, der eng mit General Juan Morega zusammenarbeitete, dem Oberkommandierenden der nicaraguanischen Streitkräfte, hatte sämtliche Einheiten seiner Rettungstruppe einsatzbereit. Sobald die entsprechende Erlaubnis erteilt wurde, handelte er rasch. Alle Boote rund um den See wurden requiriert und zu den Städten und Ortschaften beordert, deren Bewohner nicht auf dem Landweg evakuiert werden konnten. Alle anderen wurden von Lastwagen und Helikoptern der U.S. Army in höher gelegene Gebiete gebracht. Gleichzeitig wurde eine Kampftruppe zusammengezogen, die das Firmengelände von Odyssey stürmen sollte.
Alle waren sich darüber im Klaren, dass die Sicherheitskräfte von Odyssey wahrscheinlich heftigen Widerstand leisten würden, damit niemand etwas von dem geheimen Forschungsprojekt und den Wissenschaftlern erfuhr, die dort gefangen gehalten wurden. Außerdem war zu befürchten, dass Specter die Wissenschaftler ermorden und die
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