Die Troja-Mission
jede Hoffnung dahin, dass sie sich noch halbwegs nach Hause schleppen könnten.
8.
Meistens wirkt das Meer ruhig. Endlos dahinrollende Wogen, nicht höher als ein Deutscher Schäferhund, vermitteln einem den Eindruck, man hätte es mit einem schlafenden Riesen zu tun, dessen Brust sich bei jedem Atemzug langsam hebt und senkt. Doch nur die Unvorsichtigen lassen sich davon täuschen. Ein Seemann weiß, dass er sich bei klarem Himmel und ruhiger See in die Koje legen und bei tobendem Sturm aufwachen kann, der sich binnen kurzer Zeit über viele Quadratkilometer ausbreitet und jedes Schiff verschlingt, das ihm in den Weg gerät.
Hurrikan Lizzie hatte alles zu bieten, was ein katastrophales Unwetter ausmacht. Am Morgen noch ekelhaft, hatte er sich mittags zu einem ausgesprochenen Scheusal entwickelt, das am Abend mit heulenden Höllengewalten seine Bahn zog. Die Windgeschwindigkeit steigerte sich binnen kurzer Zeit von dreihundertfünfzig auf bis zu vierhundert Stundenkilometer. Peitschende Sturmböen brachten das einstmals glatte Wasser ins Brodeln und türmten bis zu dreißig Meter hohe Brecher auf, als Lizzie unerbittlich in Richtung Navidad Bank und Dominikanische Republik zog.
Die
Sea Sprite
hatte kaum den Anker gelichtet und Fahrt aufgenommen, als sich Paul Barnum vermutlich zum zwanzigsten Mal umdrehte und über die See gen Osten starrte. Vorhin hatte er noch keine Veränderung bemerkt. Aber jetzt zog sich dort, wo sich das lilabläuliche Wasser und der saphirblaue Himmel begegneten, ein dunkelgrauer Streifen über den Horizont, wie die Staubwolken, die ein ferner Chinook-Sturm über die Prärie treibt.
Barnum blickte auf das aufziehende Unwetter und konnte kaum glauben, wie schnell es sich ausbreitete und den Himmel verdüsterte. Er hatte es nie für möglich gehalten, geschweige denn schon einmal erlebt, dass sich ein Sturm so schnell voranbewegte. Noch ehe er den Kurs und die Geschwindigkeit in den Computer der automatischen Ruderanlage eingeben konnte, verdeckten die Wolken die Sonne und tauchten den Himmel in ein bleiernes Grau.
In den nächsten acht Stunden fuhr die
Sea Sprite
mit voller Kraft voraus, da Barnum das Schiff so weit wie möglich von den scharfen Korallenriffen der Navidad Bank wegbringen wollte. Doch dann erkannte er, dass der Sturm sie einholen würde, und ihm wurde klar, dass sie ihn am ehesten überstehen konnten, wenn sie mitten hinein steuerten und sich darauf verließen, dass sich die
Sea Sprite
hindurchkämpfte. Liebevoll tätschelte er das Ruder, als wäre die
Sprite
aus Fleisch und Blut. Sie war ein zuverlässiges Schiff, das viele Jahre unter härtesten Bedingungen im Polarmeer Dienst getan und alles weggesteckt hatte, was die See gegen sie aufgeboten hatte. Möglicherweise wurde sie übel zugerichtet und zerschlagen, aber Barnum hatte nicht den geringsten Zweifel, dass sie durchkommen würde.
Er wandte sich an Sam Maverick, seinen Ersten Offizier, der mit seinen langen roten Haaren, dem Zottelbart und dem goldenen Anhänger, der an seinen linken Ohr baumelte, wie ein verkrachter Student aussah. »Programmieren Sie einen neuen Kurs, Mr. Maverick. Drehen Sie bei und gehen Sie auf fünfundachtzig Grad Ost. Da wir den Sturm nicht abschütteln können, stoßen wir gradewegs hinein.«
Maverick schaute auf die Wellen, die sich gut fünfzehn Meter hoch über dem Heck auftürmten, und schüttelte den Kopf. Er musterte Barnum mit finsterem Blick, als hätte sein Kapitän den Verstand verloren. »Sie wollen bei diesem Seegang beidrehen?«, fragte er ungläubig.
»Jetzt oder nie«, erwiderte Barnum. »Lieber gleich als später, wenn die richtigen Brecher kommen.«
Es war ein waghalsiges Manöver, bei dem das Schiff quälend langsam herumkam und seine ganze Breitseite den Brechern darbot, die ungehindert über das Deck hinwegbrandeten. Im Laufe der Jahrhunderte war manch ein Schiff bei dem Versuch gekentert und spurlos untergegangen.
»Wenn ich sehe, dass der Abstand zwischen den Wellen etwas größer wird, geben Sie auf mein Kommando hin volle Kraft.«
Dann meldete er sich über Bordsprechanlage. »Wir drehen bei schwerer See bei. Alle Mann bereitmachen und festhalten!«
Barnum beugte sich über die Steuerkonsole, blickte unverwandt durch das Brückenfenster und wartete geduldig, bis er eine Welle anrollen sah, die höher als die vorhergehende war.
»Volle Kraft, wenn ich bitten darf, Mr. Maverick.«
Maverick gehorchte sofort, aber er war entsetzt, überzeugt davon, dass sie
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