Die Trolle
das bald sein.
»Niemals!«, erwiderte Sargan sogleich. »Diese Gelegenheit ist einmalig. Wie lange hat niemand Trolle getroffen? Mit einem Text über diese Wesen kann man Unsterblichkeit erlangen!«
»Ihr werdet aufbrechen«, sagte Sten drohend. »Ihr versteht nicht: Das sind keine sagenhaften Gestalten aus alten Geschichten. Jetzt mögen sie mit Stöckchen im Staub malen, aber vielleicht fressen sie Euch morgen Nacht schon auf!«
»Unsinn!«
»Ich habe es gesehen! Sie sind wild, sie sind gefährlich. Sie fressen Menschen«, meinte Sten eindringlich.
»Aber … all das Wissen …«, warf Sargan ein, doch Sten blieb hart.
»… nützt Euch tot rein gar nichts. Ihr habt einen Tag Zeit, genug, um einen ordentlichen Vorsprung zu erlangen.«
»Was ist mit Euch?«
»Ich kann mit Ihnen umgehen, sie hören auf mich, weil sie mich brauchen. Oder zumindest glaube ich gern, dass es so ist«, sagte der junge Wlachake ehrlich. »Sie werden nicht erfreut sein, wenn Ihr weg seid, gar nicht erfreut, vor allem Pard nicht, aber ich komme schon klar«, fügte er dann hinzu.
»Werdet Ihr nach Teremi reisen? Wofür brauchen diese Trolle Euch?«
»Das ist eine Sache zwischen ihnen und mir. Je weniger Ihr darüber wisst, desto besser. Desto weniger Gefahr für Euch. Und jetzt: Brecht auf!«, drängte Sten den rothaarigen Dyrier.
»Das ist alles sehr verwirrend, muss ich gestehen. Die Trolle sind Feinde der Zwerge, oder nicht?«, hakte Sargan nach, während er seine Sachen zusammenpackte.
»Ja, Todfeinde.«
»Was tun sie hier? Seit ewigen Zeiten sind sie verschwunden, alle wissenschaftlichen Koryphäen hielten sie für ausgestorben.«
»Auch die irren sich manchmal. Sie leben nun tief in den Eingeweiden der Erde und haben sich in die Stollen und Gänge weit unter den Gipfeln der Berge zurückgezogen«, erläuterte Sten.
»Wo auch die Zwerge hausen.«
»Ja. Bereit?«, fragte Sten, als Sargan seinen Beutel schulterte.
»Schon. Aber ich verlasse Euch nur ungern«, gab der kleine Mann zu bedenken. »Es gäbe so viel zu lernen …«
»Ein anderes Mal. Vielleicht, wenn man sich einmal wieder trifft. Jetzt müsst Ihr Euch sputen.«
Mit einem Nicken verließ Sargan die Ruinen und schritt in den Wald. Sten sah dem Dyrier mit gerunzelter Stirn nach, bis er zwischen den Bäumen im Unterholz verschwand.
Irgendetwas kam Sten eigentümlich an dem Mann aus dem Imperium vor, auch wenn er nicht den Finger darauf legen konnte, was genau es war. Vielleicht war es sein Verhalten während des Kampfes gewesen oder die Tatsache, dass er sich nicht einmal über die Wunde am Bein beschwert hatte. Ein zart besaiteter Gelehrter, ein Stubenhocker, der nicht auf Waldboden schlafen kann, aber der eine schmerzhafte Verletzung einfach so wegsteckt? Seltsam … , dachte Sten, aber dann wandte er seine Gedanken wichtigeren Dingen zu. Einerseits musste er den Trollen am Abend erklären, dass ihr Besucher fort war, und danach Pards Zorn überleben, zum anderen galt es, einen Plan zu entwerfen, wie er in die Stadt kam. Und vor allem muss ich mir überlegen, wie ich meine … unförmigen Begleiter mit hineinschmuggeln kann!
25
Schafft ihn rein«, befahl Hrodgard, und seine Untergebenen beeilten sich, seinem Wunsch nachzukommen. Nach einigen Augenblicken öffnete sich das große verzierte Steinportal, und zwei Soldaten aus der Leibwache des Kriegsmeisters führten einen Zwerg herein, der mit Ketten an Händen und Füßen gefesselt war. In der eindrucksvollen Ratshalle waren hochrangige Mitglieder der zwergischen Gesellschaft versammelt. Grimmig lächelte der Kriegsmeister, als er daran dachte, dass es an der Zeit sei, allen Zwergen zu demonstrieren, was Versagen bedeutete.
»Name?«, fragte er knapp, als der Gefangene vor ihm auf die Knie gezwungen wurde.
»Larnard, Sohn des …«, begann der Kniende.
Hrodgard unterbrach ihn mit eisiger Stimme: »Dein Vater hat sich von dir losgesagt. Er hat keinen Sohn mehr.«
Diese Neuigkeit traf den Zwerg sichtlich tief, denn sein Gesicht wurde kreidebleich. Die Soldaten hatten ihm, wie befohlen, den Bart gestutzt, was an sich schon eine furchtbare Schande war, doch der Verlust der Familie kam einem Ausstoß aus der Gesellschaft der Zwerge gleich. Einem Vaterlosen würde kein anderer Zwerg vertrauen, niemand würde ihm Unterkunft oder Nahrung bieten, keine Arbeit war schlecht genug, um sie von einem Vaterlosen ausführen zu lassen. Selbst die Niedersten der Niedrigen sahen auf Vaterlose hinab und bespuckten sie.
Weitere Kostenlose Bücher