Die Trolle
ebenso geschütztes Fässchen Tinte samt Schreibfeder gefunden und packte die Schreibutensilien vorsichtig, ja fast ehrfürchtig aus. Mehr zufällig als gewollt erhaschte Sten einen Blick auf den Inhalt des Beutels des Dyriers und sah verwundert, dass alle Gegenstände, die dieser mit sich führte, irgendwie gegen Witterung und Nässe geschützt waren. Bevor er jedoch eine Bemerkung dazu abgeben konnte, hatte sich Sargan zu Roch gesetzt und tippte die Spitze der Feder in die Tinte.
»Schau, das ist ein Buch. Und jetzt schreibe ich etwas hinein. Was soll ich schreiben? Wie wäre es mit: Trolle sind große, humanoide Wesen mit Haut von grauer Farbe?«
»He, wir sind nicht humeud oder so was!«, beschwerte sich Roch, während die anderen Trolle sich zu Sargan gesellten und neugierig zusahen. Bis auf Pard, der immer noch abseits lag und demonstrativ den Kopf abgewendet hatte, wie Sten belustigt feststellte.
»Humanoid«, berichtigte Sargan den Troll. »Das bedeutet so viel wie ›menschenähnlich‹.«
Jetzt meldete sich Pard doch zu Wort. »Wir sind kleinen, schwachen, rosa Menschlein nicht ähnlich, klar?«
Aber Sargan ließ sich nicht einschüchtern, sondern erwiderte: »Zwei Arme, zwei Beine, ein Kopf. Anders als zum Beispiel ein Hund oder eine Kuh.«
»Ich kann gern dafür sorgen, dass du weniger Arme und Beine hast, wenn du nicht aufhörst, so einen Mist zu erzählen …«, antwortete Pard grimmig und richtete sich auf.
Doch Druan unterbrach ihn und bat Sargan: »Zeig, wie das aussieht.«
»Aber sicher. Also, ich schreibe das jetzt auf«, fuhr der Rothaarige fort, sah dann aber Pards mörderischen Blick und warf hastig ein: »Ohne das ›humanoid‹, natürlich. Ich schreibe jetzt: ›Trolle sind große Wesen mit zwei Armen, zwei Beinen und einem Schädel, deren Haut grau ist.‹«
Fasziniert starrten die Trolle dem kleinen Mann über die Schulter, als er mit großen, geschwungenen Lettern den Satz in das Buch schrieb.
»Jetzt kann jeder, der lesen kann, verstehen, was ich geschrieben habe. Damit ist das Wissen in diesem Buch niedergelegt. Selbst nach meinem Tode kann man mein Wissen noch erlernen, wenn dieses Buch dann noch existiert!«, erklärte Sargan triumphierend.
»Wie geht das?«, fragte Druan verwirrt. »Wie bekommst du die Worte auf das Papier? Du kannst Laute malen?«
»Ja, das kann ich. Man stückelt die Worte auf, in so genannte Buchstaben. Jedes Wort besteht aus diesen Buchstaben, von ihnen gibt es nur etwa zwei Dutzend. Wenn man sie kennt, kann man hören, woraus ein Wort besteht.«
Im Imperium vielleicht, aber bei uns sind es mehr als zwei Dutzend, dachte Sten, doch er schwieg, denn er sah, wie die Trolle die Stirnen in Falten gelegt hatten. Es musste ihnen schwer fallen, die Regeln der Schrift zu verstehen, und er wollte es nicht noch komplizierter für sie machen, als es schon war. Belustigt sah er zu, wie die Trolle das Buch hin und her reichten und versuchten, einen Sinn in den Zeichen zu erkennen.
»Das ist Zauberei!«, rief Anda verblüfft. »Er ist ein Hexer!«
»Nein, nein«, beschwichtigte Sargan den Troll. »Jeder kann das lernen. Es ist keine Hexerei.«
»Jeder kann das lernen?«, hakte Druan nach.
»Jeder«, bestätigte der Dyrier.
»Auch ich? Oder Pard?«
»Ich will den Scheiß gar nicht lernen«, ließ sich Pard vernehmen.
Sargan aber antwortete schmunzelnd: »Jeder. Du, Pard, alle, die es wollen. Aber wie bewahrt ihr euer Wissen auf, wenn ihr nicht schreibt?«
»Man erzählt, was man weiß. Am Feuer oder wenn wir von einer Höhle in eine andere ziehen. Die jungen Trolle sind immer dabei, man erklärt ihnen die Dinge, zeigt ihnen, wie man jagt, wie man kämpft, welche Flechten gut und welche schlecht sind. Wie man sich verbirgt, wenn es sein muss. Alles, was man wissen muss, um zu überleben.«
»Hast du Kinder?«, wollte Sargan wissen.
Druan schüttelte den Kopf: »Nein. Aber man zeigt es allen Jungtrollen. Der Nachwuchs gehört zum ganzen Stamm.«
»Verstehe. Willst du es lernen? Ich könnte dir zeigen, wie man deinen Namen schreibt.«
»Meinen Namen? Du kannst meinen Namen schreiben? In das Buch? Mit dem Stöckchen?«
»Mit Feder, Tinte und mit Buchstaben. Natürlich, aber ich zeige es dir hier, am Boden. Pass auf, man nimmt einen Stock, so, und dann malt man die Buchstaben. D R U A N«, buchstabierte der Rothaarige langsam und schrieb jeden Buchstaben in den weichen Waldboden. »So, und jetzt mal es einfach nach.«
Sofort tat Druan es ihm gleich und
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