Die Trolle
Kaimauer weggeschoben. Guter Plan, Lino, dachte Sten anerkennend, alle schauen in den Süden, während wir im Norden an Land gehen.
Das Hafenbecken wurde von einer großen Mole zweigeteilt. Früher, bevor die beiden Wehrmauern gebaut worden waren, war diese Mole der einzige Schutz vor der Strömung gewesen, aber als Teremi gewachsen war, hatten die Befestigungen des Hafens diese Aufgabe mit übernommen. Jetzt gewährte die Mole Sten und den Trollen Schutz; alle Aufmerksamkeit der Wachen und Arbeiter galt den Löscharbeiten am brennenden Schiff, und sie konnten nahe den nördlichen Warenhäusern aus dem Hafenbecken klettern.
Während Sten sich an der Mauer hochzog und im Schatten eines Frachtkahns aus dem Becken stieg, blieben die Trolle noch im Wasser. Vorsichtig sah der Wlachake sich um. Die Aufregung um das brennende Schiff am anderen Ende des Beckens klang zu ihnen herüber, aber rund um sie herum war alles still. Die Ausgangssperre, die mit Einbruch der Nacht über der Stadt lag, sorgte für ruhige Straßen.
Die Lagerhäuser am Hafen ragten düster vor ihnen auf, aber Sten konnte keinerlei Bewegung erkennen. Es gab nächtliche Patrouillen aus der Feste Remis, die über die Einhaltung von Zorpads Gesetzen wachten, aber selten drangen diese bis in das Apas, das Hafenviertel von Teremi, vor. Die Besitzer der Hallen, die reichen Händler und Adligen, hatten ihre eigenen Wächter; sie heuerten Kämpfer an, welche sie und ihre Waren beschützen sollten. Käufliche Schwerter, die für schnödes Geld kämpfen, töten und sterben. So wie Flores, dachte Sten düster, wurde aber durch einen leisen Pfiff aus den Gedanken gerissen.
In einer schmalen Gasse zwischen zwei Lagerhäusern tauchte eine schwarz gewandete Gestalt auf, die Sten schließlich als Costin Kralea erkannte, einen kleinen, schlanken Wlachaken, der ebenfalls zu dem eingeschworenen Kreis von Rebellen in der Stadt gehörte. Wachsam näherte sich Sten dem jungen Mann mit den kurz geschorenen Haaren, der verschmitzt grinste, und musterte ihn. Noch immer trug Costin einen kurzen Spitzbart, der wie auch sein Haupthaar von ungewöhnlich heller Farbe war – eine Tatsache, die den Rebellen immer wieder zum Ziel des Spotts seiner Gefährten werden ließ, welche ihm allerlei abenteuerliche Verwandtschaftsverhältnisse unterstellten. Aber so lange Sten den Mann schon kannte, ertrug er den Spott gelassen und führte selbst eine äußerst spitze Zunge. Jetzt jedoch flüsterte er nur: »Sten. Gut, dich zu sehen.«
»Costin. Hat Lino also doch noch Hilfe in der Stadt!«
»Nicht mehr viel, Sten, nicht mehr viel«, antwortete der Rebell. »Lass uns von hier verschwinden. Lino sagt, du wärst nicht allein?«
Als Antwort nickte Sten und schlich zurück zur Wasserfront, wo er den Trollen, deren Köpfe über der Wasseroberfläche schwebten wie gewaltige Bojen, zuflüsterte: »Kommt raus. Aber leise!«
Sogleich kletterten die Trolle aus dem Hafenbecken, und Costin entfuhr beim Anblick der Kreaturen ein Fluch. »Bei den Geistern, Sten! Lino hat erzählt, in welcher Begleitung du unterwegs bist, aber das …«
»Leise!«, fauchte ihn Sten an. »Ja, ich weiß. Wir reden später.«
Damit zog er den kleinen Schlüssel, den er sich an einem Stück Seil um den Hals gehängt hatte, aus dem Hemd und fragte Costin: »Wo ist das Lagerhaus? Im Dunkeln sehen sie alle gleich aus.«
»Folgt mir«, antwortete der kleine Mann mit einem entgeisterten Blick auf die dunklen, tropfenden Gestalten der Trolle und eilte zurück in die Gasse, aus der er gekommen war. So leise wie möglich kamen Sten und seine gewaltigen Gefährten der Aufforderung nach, wobei die Trolle sich geradezu durch die schmale Gasse zwängen mussten. Pards Schultern kratzten über die Wände, und selbst als er sich seitwärts drehte, war kaum genug Platz für ihn. Vor allem die langen, nach hinten gebogenen Hörner auf seinem Schädel machten dem Troll zu schaffen, der offensichtlich immer ungehaltener wurde und etwas von »verfluchten Menschen mit ihren verfluchten Mauern« vor sich hin murmelte. Wenigstens hielt er sich noch zurück und donnerte nicht gleich los, wie es sonst seine Art war.
Anda indes beschwerte sich: »So viel Geruch!«
»Willst du sagen, dass es hier stinkt?«, fragte Sten überrascht, der sich zwar an den strengen Geruch der Trolle gewöhnt hatte, sich aber dennoch kaum vorstellen konnte, dass sie außer sich selbst noch andere Düfte wahrnahmen.
»Nein«, antwortete Anda. »Aber hier sind so
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