Die Trolle
der Winter Einzug halten würde, war das Wasser des Magy bereits empfindlich kalt. Die vielen Bäche und Flüsse, die ihn speisten, kamen aus den Höhen der Sorkaten, wo es stets eisig war und der Schnee niemals schmolz. Sie stürzten hinab in die Täler, um sich schließlich mit dem gewaltigen Magy zu vereinen, der schon oberhalb von Teremi einige Dutzend Schritt breit war. Besonders im Frühjahr, wenn die Schneeschmelze einsetzte, trat der Strom häufig über die Ufer und überschwemmte die Auen, die ihn umgaben. Auch wenn Teremi größtenteils etwas höher gelegen war, geschah es immer wieder, dass Teile der Stadt unter Wasser standen, weshalb die Stadtviertel, die nahe am Fluss lagen, den Ärmsten der Armen vorbehalten waren.
In diesem Augenblick aber verschwendete Sten keinen Gedanken an das Schicksal seiner Landsleute bei Hochwasser, denn seine Gedanken waren auf die vor ihm liegende Schwimmpartie gerichtet. Nur in seine Unterkleider gehüllt, stieg er ins Wasser, das ihn heftig schaudern ließ. Leise fluchend schob er das Bündel Äste vor sich her, an dem er sich festzuhalten gedachte.
Die Trolle hingegen schienen keinerlei Schwierigkeiten mit der Temperatur des Wassers zu haben, sondern schritten ohne zu zögern in die Fluten.
»Was für ein dämlicher Plan«, befand Pard, als er bis zur Brust im Wasser stand.
»Keine Sorge, dein Hintern hält dich oben«, frotzelte Roch, woraufhin Pard auf den kleineren Troll zusprang und ihn unter Wasser drückte. Als er Roch wieder losließ, tauchte dieser spuckend und keuchend auf. Lachend erklärte Pard: »Wenn nicht, dann nehme ich deinen Hintern und fahre darauf wie auf einem Boot!«
Das brachte ihm ein grimmiges Funkeln ein, aber Pard kümmerte sich nicht darum, sondern wandte sich an Sten: »Also, Mensch, wieso kann man so einfach in diese Stadt schwimmen, aber nicht laufen?«
»Ich habe es doch schon erklärt. Der Hafen ist wichtig, weil viel Handel über den Fluss betrieben wird. Die Mauern haben kurze Ausläufer bis in den Magy und bilden so das Becken des Hafens. Und dort, wo Kähne und Schiffe in die Stadt fahren können, kann man auch hineinschwimmen. Es gibt eine mächtige Kette aus alter Zeit, die zwischen den Wachtürmen am Ende der Mole gespannt werden kann, aber die hält nur Boote auf. Außerdem wird sie nur in Kriegszeiten benutzt.«
»Die Menschen bauen Mauern um ihre Stadt, aber jeder kann reinschwimmen?«
»Von den Türmen aus kann man den Fluss mit Pfeil und Bogen unter Beschuss nehmen. Außerdem gibt es dort oben wohl noch Zwergenmaschinen, die Boote versenken können, aber gesehen habe ich bisher keine. Der Hafen ist gut bewacht, ein Heer könnte also keinesfalls unbemerkt in die Stadt eindringen. Aber wir sind ja kein Heer«, beendete der Wlachake seine Ausführungen und grinste Pard an.
»Du nicht. Ich schon!«, erwiderte dieser und wirbelte mit erhobenem Finger herum, als Roch etwas sagen wollte: »Sei lieber still!«
Pards plötzliche Bewegungen erzeugten Wellen, die Stens kleines Floß schwanken ließen, aber wenigstens balgten die Trolle sich diesmal nicht im Wasser, sondern lachten nur verhalten.
»Leise!«, zischte Sten. »Wir sind nicht so weit weg von der Stadt. Hier könnten überall Leute sein.«
Sofort schwiegen die Trolle und sahen sich um. Mit erhobenem Haupt schnüffelte Druan und meinte dann: »Hier ist niemand außer uns.«
»Gut. Dann sollten wir uns auf den Weg machen, sonst brauchen wir zu lange«, befahl Sten und begann langsam stromabwärts zu schwimmen.
In dieser Nacht bedeckten dicke, schwere Wolken den Himmel und stahlen alles Licht der Sterne, sodass der Fluss wie schwarze Tinte dahinströmte. Nur die Lichter der Stadt, die in einiger Entfernung glänzten, spiegelten sich auf dem Wasser.
Während Sten mit der Strömung schwamm, stapften die großen und schweren Trolle einfach durch die Fluten, denn auch dort, wo der Wlachake schon lange keinen Grund mehr erreichte, konnten sie aufrecht gehen. Zwar hatten sie ihm versichert, dass sie tatsächlich alle schwimmen konnten, aber dennoch liefen sie lieber das Flussbett entlang. Immerhin wollte die kleine Gruppe ja auch in Ufernähe bleiben und sich nicht der Gefahr aussetzen, von der starken Strömung weiter draußen erfasst und am Hafen vorbeigerissen zu werden.
Nach einiger Zeit schälte sich die Stadtmauer von Teremi aus der Dunkelheit, zuerst nur als ein Schatten in der Finsternis, dann aber hob sie sich deutlich ab. Vom Fluss aus gesehen, wirkten die
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