Die Trolle
es Suhai?«
»Er wandelt ebenfalls auf den dunklen Pfaden. Seine Wunden haben sich entzündet, und er ist am Fieber gestorben«, erzählte Flores mit leiser Stimme. »Sie haben seinen Arm amputiert, aber es war zu spät, er war schon zu sehr geschwächt.«
»Verflucht«, sagte Sten bitter.
»Kopf hoch, Sten. Wir anderen sind wohlbehalten in Désa angekommen. Es war eine harte Reise, aber wir haben es geschafft. Ionna versammelt ihre Truppen.«
»Wie geht es Viçinia?«, fragte Sten hoffnungsvoll.
Flores lachte. »Recht gut, wenn man bedenkt, dass sie bald heiraten soll. Sie bürdet sich viel auf, trifft die Anführer der Stämme, redet mit Gesandten, beruhigt die Gemüter bei Streit – du kennst sie ja.«
Immer noch grinsend wandte Flores sich zu ihrem Bruder und stellte fest, dass Sten einige Schritt hinter ihr stehen geblieben war und sie bestürzt ansah. Verwirrt hob sie die Augenbrauen und fragte: »Alles in Ordnung?«
»Was sagst du?«, erkundigte sich Sten heiser. »Viçinia heiratet? Aber … wen?«
»Einen Fürsten aus dem Valedoara. Ionna will vermutlich ein Bündnis schmieden und ihr Haus stärken. Es schmeckt Viçinia gar nicht«, erklärte Flores und sah Sten eindringlich an, der aussah, als habe man ihm erzählt, dass Zorpad nun für Gold auf Tischen tanze.
»Eine politische Ehe?«
»So wie es scheint. Aber noch ist nichts in trockenen Tüchern, ich denke, dass der Krieg erst einmal Vorrang hat.«
Müde rieb sich ihr Bruder über die Augen, dann setzte er sich wieder in Bewegung.
»Wir sollten uns beeilen, Flores.«
Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Nicht einmal der Anblick Désas, ihrer zweiten Heimat, konnte Sten ein Lächeln entlocken, und so kehrten sie mit düsterer Stimmung zurück an den Ort, wo sie einst so freundlich empfangen worden waren.
Nachdem das erste Klopfen erfolglos geblieben war, hämmerte Flores mit der Faust gegen die Tür, bis von drinnen ein Ruf ertönte, den sie einfach als ein »Herein« deutete. Als sie den Raum betrat, fluchte Sten los.
»Verdammt noch mal! Ich sagte: nein!«
»Ich habe herein verstanden«, erwiderte die Wlachakin grinsend und sah sich neugierig um. Da Sten sehr viel häufiger in Désa weilte als sie selbst, bewohnte er in der Festung noch eigene Räume. Doch es gab wenig mehr zu sehen als die notwendigsten Möbelstücke. Kein Schmuck, keine Erinnerungsstücke, nichts, was einem Besucher verraten hätte, welche Persönlichkeit der Besitzer des Zimmers besaß. Im Nebenraum stand ein großer Holzzuber, in dem Sten gerade ein warmes Bad genoss. Wasser verspritzend erhob er sich und knallte die Verbindungstür zu.
»Komm später wieder!«, erklang es gedämpft durch die Tür.
»Nein! Ich warte hier einfach, bis du fertig bist!«
Wieder fluchte Sten, aber bald darauf öffnete sich die Tür, und er trat ein, noch halb nass und nur mit einer Hose bekleidet. Während er sich mit einem groben Tuch abrieb, funkelte er seine Schwester zornig an. Mehr als eine Narbe verlief über seinen muskulösen Körper; allein an der rechten Seite hatte er zwei lange, weiße Wundmale, die von der Brust bis zum Rücken liefen.
»Was willst du?«, fauchte er, und sie warf sich auf sein Bett und lächelte entwaffnend.
»Ich habe ein paar Flaschen vor den gierigen Schlünden der Krieger gerettet. Ich dachte, wir nehmen heute unseren Abschied.«
»Ich muss erst zu Ionna«, erklärte Sten. »Außerdem bin ich verdammt müde.«
»Was kannst du Ionna schon sagen, was nicht bis morgen warten kann? Und müde ? Sten, das ist die schlechteste Ausrede, die du je vorgebracht hast!«
»Aber …«
»Kein Aber«, unterbrach sie ihn, »Viçinia wird auch zu uns stoßen. Und vielleicht einige andere.«
»Viçinia«, flüsterte ihr Bruder, und sein Blick verlor sich in der Ferne.
»Ja. Was ist zwischen euch?«, fragte Flores, die sich über die Reaktion ihres Bruders auf die Neuigkeiten von Viçinias geplanter Vermählung den einen oder anderen Gedanken gemacht hatte.
»Nichts«, wehrte Sten ab und schüttelte wegwerfend die Hand.
»Brüderchen, für einen weithin gesuchten Schurken bist du ein verdammt schlechter Lügner!«
Wütend fixierte Sten sie, dann seufzte er und ließ die Schultern hängen: »Ich weiß nicht. Ich hatte gehofft … ich dachte …«
»Ja?«, fragte Flores, als er verstummte.
»Ich wollte sie fragen, also Ionna, ob …«, druckste er herum und kratzte sich verschämt am Hals.
»Was? Du und
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