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Die Trolle

Die Trolle

Titel: Die Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Viçinia?«, entfuhr es Flores, die trotz ihrer Ahnungen von dem Geständnis überrascht war. »Weiß sie davon?«
    »Wer, Ionna?«
    »Nein, Viçinia, du Hornochse.«
    »Nein, noch nicht. Ich wollte es ihr sagen, aber dann musste sie nach der Herbstschlacht nach Teremi gehen. Und jetzt hatte ich keine Gelegenheit, mit ihr zu sprechen – da waren die Trolle und Nati und …«
    »Du fürchtest dich!«, erkannte Flores erstaunt und musste lachen. »Du freundest dich mit Menschenfressern an, du überfällst Zorpad in seiner eigenen Feste, aber du traust dich nicht, Viçinia deine Gefühle zu gestehen!«
    »Nein!«, widersprach ihr Bruder. »So ist es nicht! Ich wollte ihr einfach nicht noch mehr aufbürden.«
    »Sicherlich«, bestätigte Flores ironisch und zwinkerte ihm zu. »Was ist mit ihr? Denkst du …«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Sten verzweifelt, »wir haben uns fast ein Sonnenjahr lang nicht gesehen. Als ich nach der Herbstschlacht schwer verwundet war, saß sie jeden Tag an meinem Krankenlager. Ich dachte, vielleicht empfindet sie auch etwas für mich.« Mit einem Kopfschütteln fügte er hinzu: »Aber vermutlich war das nur Einbildung, weil ich es mir wünsche. Sie sieht in mir den Freund aus Jugendtagen, mehr nicht!«
    »Sten, du bist wirklich ein großer Hornochse!«, behauptete Flores.
    »Das sagtest du schon«, fuhr er sie an. »Verrätst du mir auch den Grund dafür?«
    »Frag sie doch einfach. Was kann schon passieren?«
    »Ich kann nicht«, erwiderte Sten grimmig. »Sie wird einem anderen versprochen. Was soll ich ihr sagen? Wieso ihr das Leben schwerer machen, als es schon ist? Aber du hast in einem Punkt Recht, erst einmal kommt der Krieg. Wer weiß, ob wir die Schlachten überhaupt überleben.«
    »Wenn sie dich liebt, Brüderchen, denkst du, sie wäre glücklicher, wenn sie deine Gefühle kennt? Oder wenn sie es niemals erfährt?«, fragte Flores sanft.
    Verzweifelt lehnte sich Sten gegen die Wand und sah zur Decke empor.
    »Keine Ahnung. Lass uns was zusammen trinken, ja? Ich bin zu müde und erschöpft, um darüber nachzudenken.«
    Schulterzuckend stand Flores auf und streckte sich, während Sten ein dunkles Hemd anzog und sich einen Gürtel umschnallte. Als er in die Stiefel geschlüpft war, folgte er seiner Schwester, und sie gingen zum Westflügel, wo die Gastgemächer lagen und der Wein auf sie wartete.
    Lachend schüttete Flores mehr von dem herben Weißwein aus dem irdenen Krug in ihren Becher. Noch immer stand ihr Bruder in der Mitte des Raumes und erzählte seine Geschichte: »… er sagte zu mir: Halt still. Dann zog er den Bolzen raus. Bei den Geistern, ihr glaubt nicht, wie man an der Stelle blutet! Ich dachte, ich würde noch in dieser Nacht auslaufen und sterben!«
    »Wie habt ihr das verbunden?«, fragte Costin grölend.
    »Na, hier durch«, erklärte Sten und griff sich zwischen die Beine, »dann hinten wieder hoch und um die Hüfte. Ich habe die Narbe noch nie gesehen, aber man sagte mir, sie sei recht schmückend!«
    »Zeigen!«, rief Flores und lachte, als ihr Bruder rot wurde. Abwehrend hob er die Hände und antwortete: »Ihr schätzt doch alle euer Augenlicht, da lasse ich meine Beinkleider besser oben!«
    Lauthals lachend nickte Flores und warf einen Blick auf Viçinia, die auf der Bettstatt saß und hustete. Offenbar hatte die junge Adlige sich gerade eben verschluckt. Jetzt sah sie zu Sten, der sich schwer neben Costin auf die Kissen fallen ließ und hinter sich nach der Weinflasche griff. Der Blick der Wlachakin folgte den Bewegungen von Flores’ Bruder und verweilte lange Zeit auf ihm. Was empfindest du für ihn, Viçinia?, fragte sich Flores und trank nachdenklich einen Schluck Wein. Erwiderst du seine Gefühle?
    »Noch eine Geschichte«, rief Costin und sah aufmunternd in die Runde. »Erzählt uns mehr von Natiole Târgusi!«
    »Also gut«, erwiderte Flores mit leicht schwerer Zunge und erhob sich mühsam, »eine Geschichte von Nati!«
    Unter dem Beifall der Anwesenden verbeugte sie sich ungelenk und begann, ihre Geschichte zu erzählen: »Einst kamen zwei Kinder nach Désa, allein, gejagt und verängstigt. Alles war ihnen fremd, und schlechte Menschen hatten ihnen Familie und Heimat genommen!«
    Das Lachen der Wlachaken verstummte, als sie der Erzählung lauschten. Nach einem tiefen Schluck Wein fuhr Flores fort: »Diese Kinder hatten alles verloren, und sie fürchteten sich in der Fremde unter all den unbekannten Menschen. Man gab ihnen Zimmer und Essen und

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