Die Trolle
dann spannte er die Muskeln an und hob das Pferd empor, bis die Hufe ein gutes Dutzend Fingerbreit über dem Boden schwebten. Triumphierend blickte Sten zu Istran hoch und wies auf den Troll: »So!«
Wieder stieg Jubel auf, der noch lange in Viçinias Ohren brandete, als sie hinter Ionna her hastete, um Sten zu empfangen. Im Eingangssaal der Feste kam er ihnen entgegen, gefolgt von dem Troll, den Viçinia nun als Druan erkannte.
»Herrin«, eröffnete Sten das Gespräch und verneigte sich tief vor Ionna, »erlaubt mir, Euch Druan den Troll vorzustellen.«
Wie immer hatte sich Ionna unter Kontrolle und verzog keine Miene, als sie dem gewaltigen, Furcht einflößenden Wesen zunickte. Der Troll neigte sein Haupt kaum merklich, während Ionna bereits wieder Sten fixierte: »Folgt mir, Sten cal Dabrân, wir haben offensichtlich viel zu besprechen.«
»Was ist mit Druan?«, erwiderte der Krieger.
»Ich denke, es ist besser, er begleitet uns, nicht wahr?«
»Wie Ihr wünscht, Herrin.«
Gefolgt von dem mächtigen Troll, schritten die drei Wlachaken in den großen Saal, wo Wachen die Türen hinter ihnen verschlossen. Sobald sie allein waren, wirbelte Ionna herum und fixierte Sten mit einem finsteren Blick.
»Bist du von Sinnen, Sten?«
»Was? Aber ich …«
»So ein Auftritt! Was denkst du, was ich jetzt tun soll?«, fragte Ionna wütend und warf die Arme in die Luft.
»Das Angebot der Trolle annehmen, Herrin. Sie würden uns im Kampf beistehen und …«
»Und was? An unserer Seite kämpfen? Menschenfresser? Was denkst du dir, Sten?«
Offensichtlich fehlten dem jungen Wlachaken die Worte, doch der Troll kam ihm zur Hilfe: »Wir werden kämpfen, weil wir müssen. Ob mit euch oder ohne euch.«
»Druan, nicht wahr?«, fragte Ionna, und der Troll nickte.
»Zunächst einmal danke ich dir für deine Hilfe bei der Befreiung meiner Schwester und ihrer Begleiter.«
»Sten brauchte Hilfe, wir haben an seiner Seite gekämpft«, wehrte der Troll ab, und Ionna seufzte.
»Ich glaube gern, dass ihr nur die besten Absichten habt«, erklärte die Fürstin. »Doch das nützt uns wenig. Ihr seid bei meinem Volk nicht gerade mit dem besten Ruf gesegnet. Man fürchtet euch, und niemand wird an eurer Seite kämpfen wollen.«
»Das klang im Hof aber ganz anders«, warf Viçinia ein und fing sich einen ärgerlichen Blick ihrer Schwester ein.
»Die Menschen haben wegen Sten gejubelt, nicht wegen des Trolls.«
»Nein!«, sagte Sten bestimmt. »Sie haben gejubelt, weil sie nicht allein dastehen. Weil nicht alles verloren ist. Weil nicht Zorpad allein alle Trümpfe in der Hand hält!«
»Vielleicht«, gab die Fürstin zu. »Doch wie lange wird der Jubel halten? Wann wird die Angst zurückkehren? Wie viele werden lieber davonlaufen, als mit Trollen an ihrer Seite zu kämpfen?«
»Die Trolle sind unsere einzige Hoffnung, Ionna«, entgegnete Sten hitzig, beherrschte sich dann aber und fügte entschuldigend hinzu: »Verzeiht, Herrin. Aber das glaube ich nun einmal. Mit ihnen können wir es schaffen, Zorpad zu besiegen.«
»Sten …«, begann Ionna, doch Druan unterbrach sie.
»Wir wollen nur die Zwerge und die Eisenmenschen besiegen. Danach kehren wir in unsere Heimat zurück. Bis dahin haben wir dieselben Feinde. Auch in den Eingeweiden der Erde sagen manche, wir sollen nicht mit euch kämpfen, weil ihr schwach und weich seid. Aber ich glaube das nicht. Unsere Feinde sind verbündet, wir sollten das auch sein.«
»Ihr wisst, dass die Zwerge mit Zorpad ziehen? Costin hat Désa erreicht?«, erkundigte sich Sten.
»Ja, das hat er. Und auch Danae und Tamos. Diese Neuigkeiten sind in der Tat Besorgnis erregend«, gestand Ionna, »und sie werfen ein ganz neues Licht auf Zorpads Willen, uns den Garaus zu machen! Er muss dem Kleinen Volk viel versprochen haben, wenn sie für ihn kämpfen!«
»Er hat die Zwerge, aber wir haben die Trolle!«, erklärte Sten triumphierend.
Ionna sah ihn indes nur traurig an: »Er hat Zwerge und Belagerungsgerät und ist uns zahlenmäßig weit überlegen. Du kennst mich, Sten, du weißt, dass ich kaum eine Lage für hoffnungslos halte. Aber diesmal …«
Ihre Stimme verstummte, und sowohl Sten als auch Viçinia sahen sie mit großen Augen an. So habe ich sie noch niemals erlebt, dachte Viçinia, mutlos und niedergeschlagen.
»Noch hat er uns nicht besiegt!«, widersprach Sten. »Noch kämpfen wir.«
»Vielleicht nicht mehr lange«, erwiderte die Fürstin und wandte sich ab. »Ich frage mich seit Tagen,
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