Die Trolle
Nacht würde ein Sieg gegen Zorpad schwer erkämpft sein, am Tage gab es jedoch wenig Hoffnung.
Langsam ließ Sten Dansa bis zu seinem Zelt laufen und sprang steif ab. Tatsächlich machten sich die Entbehrungen der letzten Tage deutlich bemerkbar, aber so oder so würde dies wohl morgen vorbei sein, zum Guten oder zum Schlechten.
Aus dem Zelt kam ihm Costin entgegen, der wie immer frisch und munter aussah und gerade genüsslich einen Apfel verspeiste.
»Hallo, Sten, wieder da? Was gefunden?«, fragte der kleine Wlachake und beäugte Sten neugierig.
»Nein, alles ruhig. Wir haben uns Zorpads Lager genähert, und es sieht alles gut aus, keine Bewegung. Was auch geschieht, Zorpad kann kaum noch verhindern, dass die Schlacht bei Dunkelheit stattfindet. Heute Nacht wird es Krieg geben, Costin«, berichtete Sten und streckte die verkrampften Muskeln.
»Soll ich mich um dein Pferd kümmern? Du solltest dich ausruhen. Ich bin sicher, dass der Marschbefehl nicht mehr lange auf sich warten lässt, sobald die Trolle munter werden und die Nacht anbricht.«
»Das wäre großartig. Danke«, erwiderte der junge Krieger lächelnd und schlug Costin auf die Schulter. »Viel Zeit bleibt mir wohl nicht mehr, was?«
»Nein«, pflichtete der ehemalige Maler ihm bei und nahm Dansa bei den Zügeln, während Sten das Rundzelt betrat, das von einer mannshohen Mittelstange gehalten wurde, sodass er in der Mitte aufrecht stehen konnte.
Sten wusste, dass er und sein Trupp noch vor dem Haupttross des Heeres aufbrechen mussten, um rechtzeitig ihre Stellung erreichen zu können. Und da ihr Einsatz bei der Schlacht von größter Bedeutung sein würde, gab es keinerlei Spielraum bei der Durchführung des Planes. Keine Zeit, um zu schlafen, überlegte Sten und beäugte die gefüllte Waschschüssel, die neben dem Eingang stand. Einige Spritzer kalten Wassers auf sein Gesicht belebten ihn so weit, dass er sein Hemd auszog und sich kurzerhand die Schüssel über den Oberkörper goss. Mit einem tiefen Seufzer genoss Sten die Kälte des Wassers auf seiner Haut, während er die Schüssel höher hob und dann auch den Kopf mit klarem Wasser übergoss.
Sobald er sich abgetrocknet und sein Hemd wieder angezogen hatte, trat er erneut vor das Zelt und begab sich auf eine ziellose Wanderung durch das Lager, zu unruhig, um sich wirklich auszuruhen.
Unterwegs kam er an mehreren Lagerfeuern vorbei, an denen die Krieger saßen und sangen. Wie in den alten Zeiten ertönten am Vorabend der Schlacht die alten Lieder aus Dutzenden von Kehlen. Manche der Männer und Frauen tanzten gar, und hier und dort sah er Paare in inniger Umarmung. Wer von uns kann schon wissen, ob er die nächste Morgendämmerung noch erleben wird?, dachte der junge Wlachake, während er das Treiben beobachtete. Besser, wir feiern den heutigen Tag. Zwischen den lauten und mitreißenden Liedern von Schlachten und Krieg vernahm Sten auch immer wieder die schwermütigen Weisen der Wlachaken, die von Helden, Königen und trauriger Liebe erzählten. Trommeln schlugen, Flöten erklangen und ein ums andere Mal hörte er Soldaten, die riefen: »Noch ein Lied!«
An einem Feuer, an dem ein bulliger Mann mit überraschend klarer Stimme eine Ballade über Léan sang, die Königin, die ausgezogen war, um ihren Geliebten aus dem Dunkelforst zu retten, hielt Sten inne. Einige der Krieger, die um den Sänger herumstanden, erkannten ihn und machten ihm respektvoll Platz in ihrer Mitte. Mit einem Lächeln stellte er sich zu ihnen und lauschte dem Lied.
Plötzlich hatte er das deutliche Gefühl, beobachtet zu werden, und als er aufblickte, sah er direkt in Viçinias Augen, die ihn von der anderen Seite des Feuers aus betrachtete. Als ihre Blicke sich trafen, lächelte sie.
Er löste sich aus dem Kreis um den Sänger und ging auf sie zu. Ihr Lächeln vertiefte sich noch, als er vor ihr stand.
»Ich habe dich gesucht«, meinte sie schlicht.
»Du hast mich gesucht? Was gibt es denn?«
Sie wies mit der Hand vom Feuer weg. »Lass uns ein paar Schritte gehen, ja?«
Sten nickte zustimmend, und schweigend liefen sie nebeneinander her, bis sie den Rand des Lichtscheins erreicht hatten, den die Feuer und Kochstellen in die anbrechende Dunkelheit warfen. Vor seinem Zelt blieb Sten stehen und blickte Viçinia fragend an. Sie nickte, und er schlug die Eingangsplane zurück. In der Mitte des Zeltes blieb Viçinia stehen. Sten trat zu ihr und versuchte in ihrem Gesicht zu lesen. Plötzlich wurde ihm klar, wie nahe
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