Die Trolle
bleiben, bei diesen … diesen Dingern?« Natiole war so aufgebracht, dass er zu schreien angefangen hatte.
»Ja. Ich meine nein, ich bin nicht verrückt. Vertrau mir, Natiole.«
Der zweifelnde Blick seines Gegenübers sagte Sten zwar, dass sein Freund ernstlich an seinem Verstand zweifelte, aber dann stieß Natiole einen tiefen Seufzer aus und zuckte mit den Schultern: »Gut. Du musst wissen, was du tust. Dein Schädel ist sowieso viel zu dick, als dass so ein kleines Tröllchen ihn einschlagen könnte. Aber nimm das hier.«
Mit diesen Worten öffnete er seinen Schwertgürtel und reichte ihn Sten: »Du wirst ihn brauchen. Vermutlich mehr als ich. Und verdammt noch mal, sei vorsichtig, um der Geister willen. Vor allem nachts, wenn diese Dinger wach sind!«
»Danke. Ich glaube, ich kann mit ihnen reden. Wenn nicht, dann verschwinde ich so schnell ich kann. Und löse das Problem am nächsten Tag. Sie hinterlassen deutliche Spuren, sie würden mir nicht entkommen«, versprach Sten seinem Waffenbruder.
»Natürlich, du bist ja so verdammt vernünftig«, erwiderte Natiole säuerlich, doch dann umarmte er seinen Freund und sagte: »Pass auf dich auf, Sten cal Dabrân. Flores reißt mir den Kopf von den Schultern, wenn dir etwas passiert, was ich verhindern könnte. Nicht, dass es ein großer Verlust wäre.«
»Meinst du nun mich oder deinen Kopf?«, scherzte Sten, wurde dann aber ernst: »Danke. Sichere Wege, Nati. Sorg dafür, dass nur die richtigen Leute erfahren, dass ich noch lebe.«
»Versprochen, Sten. Sichere Wege.«
Ohne sich noch einmal umzudrehen, trat Natiole aus dem Haus in das Sonnenlicht und lief den Weg entlang hinter dem Wagen her.
Einige Augenblicke lang stand Sten einfach nur da und starrte auf die Tür, dann seufzte er und sah sich um. Die Trolle würden nicht gerade begeistert sein, wenn sie erwachten, und es würde besser sein, sich auf ihren Zorn vorzubereiten. Sobald Druan verstand, dass er ihnen ein Angebot machen wollte, würde er sich hoffentlich einsichtig zeigen, aber Sten konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie Pards Reaktion ausfallen würde.
Die Versuchung, dem mächtigen Troll eine Lektion zu erteilen, während er hilflos im Sonnenlicht lag, war groß, doch Sten trotzte ihr. Stattdessen schritt er das Haus und den Hof ab. Dabei nahm in seinem Kopf der Gedanke Form an, wie er bei Einbruch der Nacht die Verhandlung mit den Trollen aufnehmen sollte.
Sobald er einen Plan entwickelt hatte, begab er sich sogleich an die Arbeit. Über den Verschlägen für die Tiere des Hofes hatte der Bauer eine Decke eingezogen, auf der er Stroh und Futter lagerte. Dort bearbeitete Sten mit dem hölzernen Stiel einer Heugabel so lange die Verbindungswand zwischen Stall und Haus, bis er ein Loch geschaffen hatte, das groß genug war, um dadurch den Wohnraum beobachten zu können, während man recht gemütlich im Heu lag. Anschließend kümmerte er sich um die Tiere und gab ihnen Futter, das hoffentlich ein paar Tage ausreichen würde.
Erst danach gönnte er sich ein opulentes Mahl aus den zurückgelassenen Vorräten der Bauern. Ein geräucherter Schinken aus der Vorratskammer ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen. Und mit einem frischen Laib Brot verzehrt, kam es Sten so vor, als habe er niemals eine bessere Mahlzeit genossen.
Er saß mit seinem Essen auf der Türschwelle des Hauses und beobachtete die Sonne, die allmählich am Horizont versank und den Hof in ein warmes rotes Licht tauchte. Bunt gefärbtes Laub wurde von schwachen Windböen über den Hof getrieben. Die Szenerie war so friedlich, dass es ihm gänzlich unwahrscheinlich vorkam, dass sich in seinem Rücken mehrere schlafende Trolle befanden. Und doch brauchte er sich nur umzudrehen, um die gewaltigen Umrisse ihrer Körper zu sehen. Warum war er bei ihnen geblieben? Mit einem Mal kam ihm sein Vorhaben alles andere als klug vor. Pass nur gut auf dich auf, Natiole, dachte er, damit du wenigstens die Geschichte von dem Narren, der mit den Trollen umherzog, erzählen kannst. Während besagter Narr vermutlich längst in einem Trollmagen endete …
Seufzend erhob sich Sten und wischte sich die letzten Krümel vom Hemd. Natiole hatte mit seiner wenig schmeichelhaften Bemerkung über seinen Körpergeruch wohl durchaus Recht gehabt. Mit einem Seitenblick zur untergehenden Sonne beschloss er, dass ihm noch genug Zeit für ein kurzes Bad blieb.
Wenig später schrubbte sich Sten in der gemauerten Einfassung, die den Brunnen des Hofes umgab,
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