Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
Newcomerdesigner George Glamour.
Glamours Creationen waren so langweilig wie das Feuilleton der Sonntagszeitung, aber seine unbestritten charismatische Ausstrahlung in Verbindung mit seinem blendenden Äußeren schien auf magische Weise den Blick für Mittelmäßigkeit enorm zu trüben. Jedenfalls verkauften sich seine Patty, Marlene, Lucy und ähnlich fantasielos benannten Modelle so gut, dass er davon sein ausschweifendes Bohéme-Leben vorzugsweise im Schoß der weiblichen New Yorker High Society finanzieren konnte.
Vor einigen Wochen hatte Glamour beschlossen, dass es an der Zeit war, sich und seine Creationen wieder einmal durch ein Skandälchen in die Medien zu bringen, und so hatte er nach einer Nacht mit einer für seinen Geschmack etwas zu fülligen, dafür aber reichen und großzügigen Societylady eine Idee geboren, die ihm zunehmend gefiel.
Schließlich kündigte er der Presse eine Modenschau an, bei der er einen absolut sensationellen Trend präsentieren würde.
Dann hatte er das erwartungsvolle Publikum und die Pressevertreter damit schockiert, dass er statt der üblichen schlanken, perfekten Supermodels Frauen auf den Catwalk schickte, die so üppig waren wie Rubens beleibtestes Modell, und denen man durchaus ansah, dass sie in ihrem Leben nicht nur die Distanz zwischen Schminktisch und Kleiderschrank zu überwinden hatten.
Glamour war natürlich davon ausgegangen, dass keiner diese wie aus aufeinandergetürmten Marshmallows zusammengesetzt wirkenden Frauen ernsthaft für seine Vision eines neuen Schönheitsideals halten würde. Trotzdem hatte er vor, am Schluss der Modenschau ein paar ironische Worte dazu anzumerken, falls doch ein oder zwei Verrückte dabei waren, die glaubten, er litte unter Geschmacksverirrung. Dazu war es dann aber gar nicht mehr gekommen, weil Publikum und Presse dem aus ihrer durch den Schock geläuterten Sicht genialen Trendsetter wie verrückt applaudierten. Die Models mussten noch mehrmals über den Laufsteg defilieren, und am Schluss gab es minutenlang Standing Ovations. Glamour konnte nicht glauben, was da passierte. Aber da er mit dem geübten Ohr des Geldgierigen aus dem tosenden Applaus eindeutig das vielfache Klingeln von Dollarmünzen heraushörte, verbarg er seine Überraschung und hauchte nur ein höchst bescheiden klingendes Danke , als das Publikum sich endlich beruhigt hatte.
Bevor ihm irgendein neugieriger Reporter Fragen stellen konnte, auf die er wegen der unerwarteten Wendung der Dinge nicht vorbereitet war, ließ er sich von seinen Models hinter die Bühne ziehen, um dann wie ein Kugelblitz im Atelier zu verschwinden. Dort saß er bis drei Uhr morgens, um sich auf die Schnelle neue Namen für seine Creationen zu überlegen: Patty wurde zu Fatty , Marlene zu Melone , Lucy zu Chubby , was soviel bedeutete wie Dickerchen. Als sein übermüdetes Gehirn schließlich den letzten Namen ausgespuckt hatte, traf das erste Fax ein, und von da an glühte in seinem Atelier das Faxgerät, er konnte sich vor Bestellungen aus seiner neuen Kollektion kaum retten.
Die Kunden kamen überhaupt erst gar nicht auf die Idee, nach kleineren Größen zu fragen. Glamour hatte ihnen ja gezeigt, wie Frauen ab jetzt auszusehen hatten, und jede kluge Frau würde nun ihre Figur passend für diese Kleider machen und nicht umgekehrt.
Die Medien überstürzten sich in ihren Lobeshymnen auf den von Glamour geprägten neuen Trend zu Üppigkeit und, wie er es hinterher in einem Anfall nie mehr erreichter Genialität nannte, „ Haut mit Charakter “. Er hatte sich noch am Tag nach der Modenschau die Rechte sichern lassen für den Begriff „ Aging-Creme – für Haut mit Charakter “ und auch gleich von einer eher mittelmäßigen, aber dafür billigen Kosmetikfirma in China für ein paar Dollar ein Produkt zusammenrühren lassen, das seinem Namen aufgrund der minderwertigen Substanzen, die auch zum Häuserbau verwendet wurden, ganz sicher alle Ehre machen würde und das die Frauen sofort nach Erscheinen für hundertfünfundsiebzig Dollar pro Tiegel förmlich aus den Regalen rissen.
Glamour war nun ständig Gast in irgendwelchen Talkshows, wo er vor ehrfürchtigen Moderatoren und dem begeisterten Publikum eine angeblich über Jahre gereifte Philosophie ausbreitete, von der er bis vor drei Tagen selbst noch keine Ahnung gehabt hatte.
Ausschnitte aus diesen Talkshows befanden sich laut Mays Unterlagen auf der Videokassette.
Melanie schob das Video in den Rekorder. Der Bildschirm
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