Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
flimmerte einige Sekunden, dann war kurz ein begeisterter Beifall trampelndes Talkshowpublikum zu sehen. Danach schwenkte die Kamera zu einer roten Plüschcouch, auf der zwei Personen saßen: die etwas nervös wirkende Moderatorin und mit übereinandergeschlagenen Beinen ein sehr smart wirkender Typ um die Dreißig in enger schwarzer Hose, weißem Rüschenhemd und hellbraunen kniehohen Lederstiefeln mit Stulpen. Er erinnerte Melanie ein bisschen an die drei Musketiere, das lange dunkle Haar zu einem gepflegten Zopf zusammengebunden, der Kinnbart war bis auf zwei schmale Streifen unter den Mundwinkeln und einen feinen Streifen in der Mitte sorgfältig ausrasiert. Eigentlich fehlte ihm nur noch der Degen und ein kampfwilliger Gegner.
„ Mr. Glamour, wir sind sehr glücklich, Sie heute bei uns zu haben!“ sagte die Moderatorin mit einem Glitzern in den Augen, aus dem man unschwer entnehmen konnte, wo sie ihn wohl noch lieber gehabt hätte.
„ Das glaube ich Ihnen gern. Eigentlich hatte ich ja auch noch Angebote von drei anderen Sendern, aber da ich wusste, dass Sie hier auf mich warten,“ Glamour machte eine bedeutungsvolle Pause „nun ja, wer kann da schon widerstehen! Ich jedenfalls nicht!“, er lehnte sich lächelnd zurück und genoss die wohlwollenden Lacher aus dem Publikum. Die Moderatorin war sichtlich geschmeichelt.
„ Mr. Glamour, mit Ihrem Trend zu Üppigkeit und, wie Sie es nennen, Haut mit Charakter, haben Sie in New York eine inzwischen auch auf die anderen Bundesstaaten überschwappende Bewegung ausgelöst, die beispiellos ist.“ Sie rückte ein Stückchen näher an Glamour heran. „Wie erklären Sie den Reiz dieses neuen Schönheitsideals im Gegensatz zu dem bisher gelebten, das Fettpolster und Falten verteufelte?“
Das Publikum hielt den Atem an. Glamour lehnte sich noch etwas weiter zurück und genoss in einer kunstvoll gesetzten Pause die gespannte Aufmerksamkeit. Die Kamera schwenkte kurz ins Publikum, wo auffallend viele pummelige bis dicke Frauen mit geröteten Wangen saßen, die glänzenden Augen unverwandt auf ihren Messias auf der Plüschcouch gerichtet.
„ Sehen Sie, Erica“, Glamour schaute der Moderatorin tief in die Augen, „die Linien im Gesicht einer Frau sind die Geschichten, die sie zu erzählen hat. Jede einzelne wurde eingraviert von einem Gedanken, einem Gefühl. Jede ein zu ergründendes Geheimnis ...“ Er senkte die Stimme, sodass die Moderatorin sich unwillkürlich weiter zu ihm hinüberbeugte.
Einige Frauen aus dem Publikum seufzten hörbar.
„ Und erst die üppigen Rundungen!“ Er schloss für einen Moment genießerisch die Augen. „Jeder Zentimeter, jedes Pfund ist ein hemmungslos genossener Moment! Zart schmelzende Trüffel. Ein saftiges Steak in gebräunter Butter mit luftigen Kroketten. Eine unendlich ausdauernd“, hier schickte er einen vielsagenden Blick, den jede Frau verstehen würde, direkt in die Kamera, „cremig gerührte Bechamelsoße, die im Mund schmilzt wie Götternektar. Und all das ist versteckt in dem wunderbar üppigen Körper einer Frau, die mit allen Sinnen genossen hat! Eine wahre Göttin!“
Aus dem Publikum hörte man unterdrücktes Stöhnen. Die Moderatorin begann unter ihrer Schminke zu schwitzen und man musste kurz unterbrechen, damit jemand aus der Maske sie mit der Puderquaste wieder kameratauglich machen konnte.
„ Wie entstellt dagegen ist der kasteite Körper einer Frau, die sich immer wieder alles heruntergehungert hat, sich die Kalorien für die nächste Mahlzeit bei der vorigen vom Munde abgespart hat und nun frustriert vor ihrem halben Salatblatt sitzt, während die üppige Frau am Nachbartisch lustvoll ihre Mousse au Chocolat mit Sahne und Maraschinokirschen genießt und dabei jede Menge Glückshormone freisetzt! Sie wissen,“ er machte eine wirkungsvolle Pause, in der das ganze Studio den Atem anzuhalten schien, „Glückshormone sind gut für die Liebe und für“, nun sah er der Moderatorin direkt in die Augen, als er die beiden Worte betont langsam sozusagen auf den Lippen schmelzen ließ, „ekstatischen Sex!“
Wieder ein leises Aufstöhnen aus dem Publikum, diesmal überwogen eindeutig die Männerstimmen.
Melanie sah unwillkürlich an sich herunter. Wann hatte sie eigentlich ihre letzte Mousse au Chocolat gegessen? Das musste Lichtjahre her sein. Aber was tat man nicht alles, damit man in hautengen Overalls und eng anliegenden Kostümchen nicht aussah wie eine abgebundene Leberwurst. Und wann hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher